Frauen! Leben! Freiheit! Die Proteste im Iran
Vor vier Jahren bin ich mit dem Auto durch den Iran gereist. Ich habe eine Freundin begleitet, Margot. Sie selbst war mit dem Motorrad unterwegs – alleinreisend und das als Frau! Damit zog sie im Iran viele Blicke auf sich.
Wir fuhren ans Kaspische Meer, um dort den Sonnenuntergang zu erleben. Gemeinsam mit vielen iranischen Touristen, die hier an der Küste ihre Ferien verbringen. In der frischen Abendbrise mussten die Frauen ihre Kopftücher festhalten. Nur wenige waren hier streng verschleiert, die meisten hatten bloß eine Art Seidenschal locker über den Kopf geworfen.
Das Kopftuch enger gezogen
Auch Margot, denn im Iran müssen alle Frauen ihr Haar bedecken, sogar durchreisende Europäerinnen. Im Wind rutschte ihr das Tuch immer wieder herunter, Margot schimpfte leise. Die Iranerinnen neben uns lachten: Sie würden es auch hassen, das Kopftuch zu tragen. So lästig. Viel lieber wären sie frei, riefen sie uns zu – und zogen sich ihre flatternden Tücher enger um den Kopf.
Vor 43 Tagen musste Mahsa Amini wegen eines verrutschten Kopftuchs sterben. Die iranische Sittenpolizei hatte sie festgenommen. Der Vorwurf: "unangemessene Kleidung". Wenig später kam die junge Frau im Polizeigewahrsam zu Tode. Seitdem hören die Proteste gegen die staatliche Gewalt gegen Frauen nicht auf.
Unterdrückung von Frauen in den Religionen
Wenn ich heute die Bilder aus dem Iran sehe, Handyaufnahmen von Demonstrierenden, Schüsse von Polizeischergen, Verletzte und Tote auf den Straßen… dann muss ich an die Frauen am Strand denken. Gut möglich, dass auch sie jetzt mitdemonstrieren gegen ihre Unterdrückung.
In vielen Religionen wurden und werden Frauen unterdrückt. Nicht nur im Islam. Auch im Christentum gibt es dazu eine lange, unheilige Tradition. Unheilig, weil sie schon immer den Kern der christlichen Botschaft verdreht hat. Der lautet nämlich ganz anders. In der Bibel steht: "Wo der Geist Gottes ist, da ist Freiheit." (2. Korinther 3,17) Und: "Gott ist Liebe." (1. Johannes 4,16)
Freiheit und Liebe
Freiheit und Liebe. Dafür kämpfen die mutigen Frauen und Männer im Iran. Im Namen von Mahsa Amini und für sich selbst. Ich bange und hoffe mit ihnen. Auf dass am Kaspischen Meer und in Teheran die Haare wieder frei im Wind wehen können.
(Das Foto zeigt Mahsa Amini in den Tagen kurz vor ihrem gewaltsamen Tod.)
