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Heidi und die güldene Sonne
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Heidi und die güldene Sonne

Heidrun Dörken
Ein Beitrag von Heidrun Dörken, Evangelische Pfarrerin, Senderbeauftragte für den Hessischen Rundfunk
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Mit zwölf habe ich den Kinderbuch-Klassiker Heidi von Johanna Spyri gelesen. Die Geschichte des Waisenkinds, das zu ihrem Großvater, dem Alm-Öhi, in die Berge kam und dort glücklich war mit den Ziegen und den Tannen. Doch dann musste sie fort in die Stadt, zur reichen Familie Sesemann. Ausgerechnet in meiner Heimatstadt Frankfurt war Heidi unglücklich und heimwehkrank. Ich selbst bin in Frankfurt gern aufgewachsen. Aber ich habe beim Lesen mit Heidi gelitten und mich mit ihr gefreut, als sie endlich wieder zurückdurfte: zu ihren Bergen, zum Alm-Öhi, dem Geißenpeter und seiner Großmutter. Die war blind.

Heidi und die Großmutter

Das Wiedersehen mit der geliebten Großmutter ist meine Lieblingsstelle im Buch. Die Großmutter sitzt in der dunklen Hütte am Spinnrad. Obwohl Heidi lange weg war, erkennt sie Heidi an ihren Schritten. Heidi hat Brötchen mitgebracht, weich und weiß, eine Kostbarkeit. Die schüttet sie der Großmutter in den Schoß. Sie sollen die alte Frau wieder kräftig machen.

Johanna Spyri prangert die Zustände der Bergbauern an

Johanna Spyri, die Autorin von Heidi, hatte einen wachen Blick für die Not der Menschen in den Alpen. Das Leben dort war damals hart. Kaum ein Bauernhof war einträglich. Vom Ziegenhüten konnte man kaum leben. Viele Kinder gingen nicht zur Schule. Sie mussten mitarbeiten, damit die Familie durchkommt. Johanna Spyri prangerte Zustände an, die es in anderen Teilen der Welt heute noch gibt.

Heidi lernt lesen

Auch Heidi lernt erst in Frankfurt lesen. Bei ihrer Rückkehr in die Berge erinnert sie sich daran: Die blinde Großmutter hat sich immer gewünscht, dass ihr jemand etwas vorliest. Heidi ruft: „Großmutter, jetzt kann ich lesen!“ Sie greift zum alten Gesangbuch der Großmutter und liest diese Strophe: „Die güldne Sonne, voll Freud und Wonne, bringt unsern Grenzen mit ihrem Glänzen ein herzerquickendes, liebliches Licht. Mein Haupt und Glieder, die lagen darnieder; aber nun steh ich, bin munter und fröhlich, schaue den Himmel mit meinem Gesicht.“ Noch nie hatte Heidi die Großmutter so glücklich gesehen.

Johanna Spyri beschreibt in dieser Szene den Glauben:  Bei allem Schweren im Leben - wer auf den Schöpfer des Lichts vertraut, wird nicht im Dunkeln verzweifeln. Mit diesem Vertrauen lässt sich der Tag beginnen und beenden.

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