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Die Zwei auf der Terrasse
Bildquelle: pixabay

Die Zwei auf der Terrasse

Patricia Nell
Ein Beitrag von Patricia Nell, Katholische Pastoralreferentin und Religionslehrerin, Frankfurt
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Direkt neben dem Supermarkt ist ein Altenpflegeheim. Manchmal, wenn ich vom Einkaufen komme, sehe ich ein älteres Ehepaar auf einer der Terrassen sitzen. Und dann muss ich für einen Moment meinen Korb abstellen und mich auf eine der Bänke setzen. Denn die Zwei da oben haben es mir angetan. Obwohl ich sie überhaupt nicht kenne: Es tut mir gut, ihnen einfach ein bisschen zuzusehen. Wie er ihr liebevoll und vorsichtig eine Decke über die Beine legt. Und dann den Rollstuhl besonders achtsam an den Tisch zurückschiebt. Sich neben sie setzt, ihre Hand nimmt, sie zärtlich streichelt, ihr dabei in die Augen schaut und übers ganze Gesicht strahlt.

Sehen, wie sie einander gut tun

Ach, ist das schön, denke ich jedes Mal. Sie scheint ja in ihrer ganz eigenen Welt zu sein. Trotzdem: Irgendetwas muss sie spüren. Ihre Mimik hat immer etwas ganz Friedliches. Und das scheint auch ihm gut zu tun. Bestimmt ist sie alles, was er noch hat. Das ist wirkliche Liebe, denke ich, wenn ich die zwei nach dem Einkaufen auf ihrem Balkon anschaue.

Ich bedeute dem anderen etwas

Später, beim Abendessen erzähle ich meinem Mann und unserem Sohn von den beiden. Wie sie mich immer wieder berühren. Unser Vierzehnjähriger schaut uns fragend an. So ganz ist ihm noch nicht klar, weshalb ein fremdes Paar auf der Terrasse eines Pflegeheims seine Mutter so beschäftigt. Wie auch. Aber da er ja alles genau wissen will, begreift er nach und nach das, worum es uns gerade geht, und das sagen wir ihm dann auch:

„Wenn Menschen erleben, dass man besonders liebevoll zu ihnen ist, sind sie darüber sehr froh. Denn das Wichtigste überhaupt ist, dass ein Mensch immer wieder spürt: Ich bedeute einem anderen etwas. Ich bin es wert, dass der sich um meinetwillen Zeit nimmt. Letztlich geht es vor allem genau darum. Und zwar nicht nur dann, wenn sich zwei Menschen versprechen, für immer beisammenzubleiben, sondern überall dort, wo Gemeinschaft entsteht und Menschen füreinander da sind. Und sei es nur für einen besonderen Moment. Den anderen fühlen zu lassen: ich tue das, was ich tue, von ganzem Herzen. Nur für dich. Das macht das Leben lebenswert.“

Solche Menschen haben und geben eine große Kraft

Gott sei Dank gibt es solche Menschen wie die beiden da im Pflegeheim. Sie strahlen etwas aus. Sie haben eine große Kraft. Und diese Kraft hat nichts zu tun mit dem Tragen von schweren Paketen oder Einkaufskörben. Aber ich stelle meinen Korb gerne ab, lasse mich auf die Bank neben dem Supermarkt sinken und habe teil an dem, was Menschen einander sein können.

Ich wünsch Ihnen allen von Herzen solche Erfahrungen und verabschiede mich damit heute von Ihnen, in meinem letzten hr2 Zuspruch!

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