hr4 Gottesdienst zum Pfingstmontag aus der Ev. Apostelkapelle in Kassel
"Ich sehe rot"
Herzlich Willkommen!
Hier geht's von 10.04 Uhr bis 11.00 Uhr am Pfingstmontag zum hr4 Livestream.
Den Gottesdienst zum Nachhören gibt es nach Ausstrahlung auf der Seite hr4.de.
Pröpstin Katrin Wienold-Hocke können Sie nach dem Gottesdienst
von 11.00 Uhr bis 12.00 Uhr unter 0151 46427729 erreichen.
Sie finden hier:
- Hier und direkt auf dieser Seite oben mit dem Button können Sie den Gottesdienst nachhören.
- Die Predigt von Pröpstin Katrin Wienold-Hocke
- Die Mitwirkenden im Gottesdienst
- Einen Hinweis, wie Sie sich an der Kollekte beteiligen können, wenn Sie das möchten.
- Die Pressemeldung, u.a. mit einem Foto der Ev. Apostelkapelle in Kassel.
Lied: "Schmückt das Fest mit Maien" aus dem Evanglischen Gesangbuch Nr. 135 die Verse 1-3
Lied: "Atem des Lebens" aus dem EG plus Nr. 20, die Verse 1-3
Predigt "Ich sehe rot"
Teil 1:
Liebe Hörerinnen und Hörer,
Ich liebe Rot, die warme Farbe! Leuchtend roter Klatschmohn steht für Sommer, Sonne und gute Laune.
Rote Erdbeeren finde ich unwiderstehlich lecker, und rote Lippen soll man ja bekanntlich küssen!
Rot ist anziehend, denn es steht für Lebensfreude und Energie.
Wie wunderbar ist das, wenn die Sonne rot durch ein Glasfenster in der Kirche fällt. Es wärmt den ganzen Raum und mich dazu.
Die Farbe Rot gehört zu Pfingsten, das leuchtet mir sofort ein.
Denn so stelle ich mir das das erste Pfingstfest vor, als einen Ausbruch von flammender Begeisterung.
Eine Energie, die andere anzieht und mitreißt. Eine große Menschenmenge ist so ergriffen, dass sie alle Feuer und Flamme sind.
Vor den Pfingstereignissen war die Lage bei den Jüngerinnen und Jüngern Jesu eine ganz andere.
Seit Ostern bleiben sie eher für sich, sind niedergeschlagen und traurig, obwohl sie doch die Osterbotschaft gehört haben. Sie vermissen Jesus in ihrem Alltag, die Hoffnung, die er ausstrahlt, seine Gastfreundschaft und die Lebensfreude.
Es dauert lange, sehr lange, dafür stehen die fünfzig Tage von Ostern bis Pfingsten, bis sie aufwachen. Und jetzt aber richtig! Ein Funke springt über, die Freude flammt auf.
Das Gefühl ergreift sie komplett: Er ist bei uns!
Er schenkt uns seinen heiligen Geist. Seinen Geist, der unsern Kopf und unser Herz ergreift.
Jetzt sind sie mutig! Trauen sich von Gott und Jesus Christus zu erzählen und in allen Sprachen werden sie verstanden.
Gottes Geist hat sie ergriffen und breitet sich aus wie ein Feuer.
Dafür stehen die Flammen auf den Köpfen in der biblischen Geschichte. Sie sind rot, natürlich. Rot steht für die Kraft, die die Angst überwindet. Und für das Leben, denn Rot ist auch das Blut. Blut, das durch die Adern fließt und pulsiert, solange das Herz schlägt.
Rot ist für mich eine Gottesfarbe.
So sieht das aus, wenn Gott gegenwärtig ist: Menschen überwinden ihre Angst und ihre inneren Grenzen, sie fassen Mut und gehen auf andere zu, sie teilen ihre Liebe und ihren Glauben. Sie werden solidarisch und brennen für eine gemeinsame Sache.
Rot ist die Liebe.
Feuriges Rot ist eine erotische Farbe und steht für die Leidenschaft. Das große Liebeslied der Bibel, das Hohelied, singt davon In den höchsten Tönen.
So wirbt ein Mann um seine Freundin:
„Leg mich wie ein Siegel an dein Herz wie ein Siegel an deinen Arm. Denn stark wie der Tod ist die Liebe, hart wie das Grab ist meine Leidenschaft. Ihre Flammen sind Feuerflammen, Flammen Gottes.“
Wer verliebt ist, fängt oft an zu dichten, oder zu singen. Auch sehr nüchterne Menschen wagen sich dann viel. Verliebte sind schöner und mutiger– vielleicht nicht immer klüger als zuvor…Sie sind bereit, für ihre Liebe zu leiden. Sie geben sich hin. Mit Haut und Haaren und mit ihrem ganzen Leben wollen sie für die Geliebten da sein.
Liebe ist lebensgefährlich. Wenn wir sagen: Gott ist die Liebe- dann sprechen wir von der Liebe, die Jesus gelebt hat. Sie war so groß und stark, dass sie den Tod auf sich genommen hat. Für die Geliebten.
Rot steht auch für das Leiden in der Leidenschaft, und Feuer ist bekanntlich brandgefährlich.
Auch diese Seite der Farbe Rot wollen wir anschauen - nach der Musik.
Musik: G.F. Händel: Sonate G-Dur für Flöte und B.c. Bourrée 1min
Predigt Teil 2:
Ich sehe Rot. Das ist nicht gerade eine Liebeserklärung.
Oft heißt es: ich bin ganz kurz vor der Explosion, ein Funken noch, und ich platze, werde aggressiv, laut, im schlimmsten Fall fließt Blut.
Ich sehe rot. Das sagen zum Beispiel Menschen, die sich über die Ausgangssperre streiten. Die einen finden das absolut notwendig, andere widersprechen: das ist kompletter Blödsinn, das bringt gar nichts.
Der Streit um die Corona-Regeln ist immer heftiger geworden, und auch bei mir selbst hatte ich den Eindruck, dass immer gereizter und die Zündschnur immer kürzer wurde.
Rot ist der Zorn, rot ist in der Bibel auch die Sünde. Sünde ist das Zerstörerische, das Leben und Lebensfreude kaputt macht- auch die Aggression ist ja eine heiße Energie.
Lieber nicht rot sehen, also? Den Streit vermeiden? Wie hat das Jesus gemacht? Er hat immer wieder gesagt: Gewalt ist keine Lösung und zur Gewaltlosigkeit aufgerufen: Selig sind, die Frieden stiften (Mt5, 9), so lautet ein Satz von ihm.
Doch Jesus hat auch gestritten und nicht jeden Streit vermieden. Im Gegenteil. Mit seinen Schülerinnen und Freunden ist er unterwegs und zieht nach Jerusalem. Schon dieser Schritt ist eine Provokation. Zum Passafest, ausgerechnet, wenn die Behörden damit rechnen, dass die Freiheitsliebe aufflammt und Aufstände ausbrechen in Jerusalem. Jesus begibt sich in den Konfliktherd und in Gefahr. Und zuerst geht er ins Zentrum des Freiheitsglaubens, in den Tempel.
Davon lesen wir im Matthäusevangelium im 21. Kapitel:
12 Und Jesus ging in den Tempel hinein und trieb hinaus alle Verkäufer und Käufer im Tempel und stieß die Tische der Geldwechsler um und die Stände der Taubenhändler 13 und sprach zu ihnen: Es steht geschrieben (Jes. 56,7): »Mein Haus soll ein Bethaus heißen«; ihr aber macht eine Räuberhöhle daraus.
Heiliger Zorn. Jesus sieht rot. Er regt sich auf über all das, was hier Menschen daran hindert, zu beten, zu sich und zu Gott zu kommen. Dass nicht alle kommen dürfen, wie sie sind, regt ihn auf.
Ein Symbol für die Hindernisse, die Menschen aufstellen, sind die Tische. Hier stehen die, die Geld wechseln, denn nur mit besonderen Münzen kann die Tempelsteuer bezahlt werden. Hier wird Geld verdient. Und wer das nicht hat…hat keinen Zugang zum Gottesdienst. Das erzürnt Jesus. Er sagt nicht etwa leise: das gefällt mir nicht, sondern er schmeißt die Tische um.
Das hat Krach gemacht und war für alle zu sehen. Es hat sicher einen Tumult gegeben. Doch kein Mensch wird verletzt. Was Jesus tut, ist eine Zeichenhandlung, ein demonstrativer Protest ohne Waffen. Gegen das Machtgehabe und den Kommerz. Jesus wird zornig, weil er liebt. Er setzt sich leidenschaftlich ein für die Menschen, die bei Gott ein Zuhause brauchen. Das sind ganz besonders die, die verletzlich sind und arm.
Von seinem Besuch im Tempel wird noch erzählt, dass er sich kümmert, Kranke heilt und Kinder in Schutz nimmt. So soll es zugehen, in Gottes Haus, heilsam und liebevoll, mit Herzblut eben.
Nächstenliebe ist nicht nur lieb. Jesus macht Mut, einzugreifen oder zu streiten, wenn es nicht liebevoll zugeht. Wenn Menschen dran gehindert werden, ihren Glauben frei zu leben. Dieser Bericht stiftet dazu an, aus Liebe Rot zu sehen. Zu Recht macht es wütend, wenn Schwache verletzt werden. Gottesdienst, Tempel und Kirche sollen ein Schutzraum sein, zu dem alle Zugang haben, die kommen wollen.
Jesus mischt sich ein. Mir fällt auf, dass er wütend wird, aber auch zugleich ein Gespräch beginnt mit denen, über die er sich aufregt. Gottes Haus soll ein Bethaus sein. Jesus sagt, wofür er brennt
Mit heiligem Zorn.
Zornig habe ich Heike Schönewolf erlebt. Sie hat vorhin davon gesprochen, mit wie viel Herzblut sie in der Pflege arbeitet. Wenn alte Menschen nicht so versorgt werden, wie sie es brauchen- und wenn es im Krankenhaus vor allem drum gehen muss, Geld zu verdienen- dann sieht sie rot.
Zornig kenne ich Lutz Geydan, der vorhin davon berichtet hat, dass er für seine Überzeugung auf die Straße geht. Wenn wir nicht mit unserm Glauben in die Öffentlichkeit gehen, ihn nicht verbreiten, analog oder digital, dann regt ihn das auf. Weil er dafür brennt.
Musik: Orgelimprovisation
Predigt Teil 3:
Ich sehe nicht immer Rot. Es gibt Zeiten, da fehlt es mir an Energie und an Begeisterung. Wir können jetzt immer noch nicht große Feste feiern. Das dämpft die Lebensfreude.
Es geht mir wie den Jüngern vor Pfingsten. Die Botschaft höre ich wohl, aber ich brauche lange, bis der Funke überspringt. Dann wieder spüre ich es warm und dankbar: ich bin nicht allein! Gottes Geist ergreift mich und bringt in Schwung. Ich vertraue darauf, dass sich Gottes Gegenwart wie ein roter Faden durch mein Leben zieht.
Sie leuchtet so rot wie die Sonne am Morgenhimmel aufgeht. Ich zähle zu denen, die aufwachen, wenn es hell wird. Wenn ich das Morgenrot sehe, weckt es auch meine Seele. Der weite Horizont ist zum Staunen. Jeder Tag ist ein neuer Tag aus Gottes Ewigkeit, ein Geschenk und neue Chance, im Licht zu leben.
Rot ist vielleicht die erste Farbe, die ich in meinem Leben gesehen habe. Das verbindet uns Menschen doch über alle Hautfarben und Grenzen hinweg.
Wir sind im Bauch einer Mutter großgeworden, von ihr mit Blut und Nahrung versorgt. Ich verdanke mein Leben anderem Leben, das für mich da war. Mir wird warm ums Herz, wenn ich für andere sorgen kann. Mit Herzblut leben- so wie Heike Schönewolf es von ihrem Beruf erzählt hat. Barmherzig sein. Das Wort für Barmherzigkeit in der Bibel kommt vom Wort Mutterleib. Wie ein roter Faden kann es sich durchs Leben ziehen, dass wir aufeinander achthaben, ob wir jung oder alt sind.
Ich ziehe mich gern rot an, auch mir die Farbberatung gesagt hat, dass mir sanfte Farben besser stehen. Rote Kleider machen einfach gute Laune, sie sind ein Hingucker. Ich muss mich ja auch nicht verstecken, weil ich glaube, dass Gott mir etwas zutraut, so wie den ängstlichen Jüngern an Pfingsten. Mit meinem Glauben an Gott kann ich mich sehen und hören lassen. Wo Gottes Geist ist, da verstehen wir uns, wenn wir von Jesus erzählen. Wir können Begeisterung und Lebensfreude weitergeben.
Die Lieder und Worte kann ich mir immer neu anziehen wie ein wärmendes Kleid, und mich einlassen auf diese Gemeinschaft, in der das Feuer weitergetragen wird.
Die leidenschaftliche Liebe kann zornig werden und geduldig warten, sie wird immer noch hoffen und vergeben. So ist Gottes Liebe. Sie ist größer als alle Liebe, die ich alleine leben kann. Sie ist der rote Faden in meinem Leben, der es hält und trägt und mich mit Jesus verbindet, im Leben und darüber hinaus.
Amen.
Lied: "Zieh ein zu deinen Toren" aus dem Evanglischen Gesangbuch Nr. 133, die Verse 1, 6 u. 7
Mitwirkende im Gottesdienst:
Liturgie und Predigt: Pröpstin Katrin Wienold-Hocke
Moderation und Lesung: hr4-Moderator Hermann Hillebrand
Liturgische Mitwirkung: Lutz Geidan, Marianne Krägelius
Musikalische Mitwirkende: Ullrich Pühn, Flöte;
Cornelius Schmaderer, Cello;
Martin Forciniti, Orgel;
Anne-Cécile Thomas, Vokalensemble;
Eva Carlberg, Vokalensemble;
Jürgen Appel, Vokalensemble;
Stavros Katsagiorgis, Vokalensemble
Musikalische Gesamtleitung: Kantor Martin Forciniti
Kirchliche Redaktion: Claudia Rudolff, Rundfunkbeauftragte der Evangelischen Kirchen von Kurhessen-Waldeck
Kollekte:
Zur Kollekte können diejenigen beitragen, die etwas spenden wollen für die Corona Nothilfe in Südindien:
Bankverbindung "Nothilfe Corona Partnerkirche Indien"
Überweisungen bitte auf das Konto der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck bei der Evangelischen Bank:
IBAN DE33 5206 0410 0000 00 30 00
BIC: GENODEF1EK1
Spendenzweck: "Nothilfe Corona Partnerkirche Indien"