Körperkontakt in Corona-Zeiten
Das ist wirklich seltsam in Corona Zeiten. Ich treffe alte Freunde, und wir dürfen uns nicht mal die Hand geben. Wir sehen die neuen Nachbarn zum ersten Mal. Unsere Hände strecken sich vor wie von selbst, auf beiden Seiten. Dann zieht man sie schnell wieder zurück. Und sich zu umarmen ist zeitweise sogar unter nahen Verwandten und engen Freunden nicht möglich. Wie traurig ist das alles?
Aber manche finden auch etwas Gutes dabei. Eine Frau sagt: Ich bin froh, dass das jetzt mal wieder etwas zurückgefahren wird, dieses Ständig-Alle-Leute-Umarmen. Das ist ja immer mehr geworden in den letzten Jahren. Überall, an der Arbeit, im Verein, beim Feiern. Und du willst dann auch keinen ausschließen. Manche küssen einen sogar. Nicht nur Bussi Bussi in die Luft, sondern sie verletzten echt einen für mich persönlichen, intimen Raum. In Frankreich geht das wohl irgendwie. Aber wenn ich sehe, wie sich Politiker in Osteuropa küssen. Das brauche ich wirklich nicht.
Wie ist das mit der körperlichen Berührung: alles nur eine Frage der Kultur? Stimmt das, was unsere brasilianischen Bekannten sagen: Die Deutschen sind Weltmeister im Einhalten der Corona Regeln, weil sie auch sonst so kühl reserviert sind?
Ganz sicher hat es viel mit kultureller Gewohnheit zu tun, wie wir uns grüßen. Wir überlegen nicht lange, sondern tun etwas, das schnell verstanden und geteilt werden kann. Und doch kommt es dabei auch auf jede und jeden selbst an. Was finde ich richtig? Was ist schön und fühlt sich gut an? Für mich und für die anderen? Das wäre jedenfalls die christliche Regel, genau zu schauen was für mich und für die anderen stimmt. Sonst sagt die Bibel wenig zum Grüßen. Paulus empfiehlt zwar, alle Christen als Schwestern und Brüder sollen sich begrüßen mit dem heiligen Kuss. Doch ich bin froh, dass wir nicht alle dieser Empfehlung folgen – auch ohne Corona. Aber dass wir uns bald wieder richtig die Hand geben können, herzlich und fest, feinfühlig oder mit Nachdruck. Dass wir uns wieder umarmen dürfen, da wo es stimmt, – dass wir wieder spüren, wie es dem Anderen heute geht. Wir bei einer schrecklichen Nachricht, wenn uns die Worte fehlen, jemanden fest in den Arm nehmen-darauf freue ich mich sehr. Ich bin sicher, da fließt eine ganz besondere Kraft. Da sind wir gesegnet, wie bei einem Gottesdienst, wenn die Pfarrerin oder der Pfarrer die Hände über uns heben.