Sprachen lernen
Nicht weit von uns in der Nachbarschaft wohnt eine Flüchtlingsfamilie. Wenn Besuch kommt und jetzt im Sommer alle draußen sitzen, hören wir, wie munter das zugeht. Die Erwachsenen unterhalten sich auf afghanisch. Die Kinder sprechen mit ihren Eltern auch afghanisch, doch untereinander deutsch, sehr gut und ohne Akzent. Wir hören, wie sie was spielen, oder wie sie das mit dem Kirschenpflücken machen wollen. Sie sind 3 oder 5 Jahre alt, gehen hier zur Kita oder auf den Spielplatz. Ihr zuhause, ihre Welt, ihre Sprache ist deutsch. Mühelos und fehlerfrei können sie sich unterhalten. Alle wissen, wie wichtig das ist, wenn sie bei uns bleiben, etwas lernen und Arbeit finden wollen. Die Sprache ist der Zugang zu allem. Ein paar Tage später bin ich als Beisitzer in einer Prüfung. Eine junge Frau verteidigt ihre Bachelorarbeit. Sie hat bei der Caritas in einer Gruppe mit unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten gearbeitet. Sie hat untersucht, wie man die Sprachförderung im Alltag verbessern kann, also auch außerhalb der Sprachkurse. Gelegenheiten schaffen, ist das erste. Einfach etwas reden, wenn man sich begegnet. Sich trauen, am Bushäuschen, beim Einkaufen, beim Essen in der Gruppe, kleine Anlässe suchen oder schaffen. Und wie kann man das Sprechen verbessern? Nicht hinnehmen, wenn einer etwas falsch sagt, sondern auf Fehler aufmerksam machen – und es richtig vorsprechen. Sich vor allem nicht an die falsche Grammatik anpassen oder an den falschen Akzent: Keine Primitivsprache benutzen. Ich höre manchmal, dass jemand denkt, er tut Fremden einen Gefallen, indem er sich auf ihre Sprechweise einlässt: „Du nix verstehen, ich dir sagen, wie richtig ist…“ – So geht es auf keinen Fall. Es hilft auch wenig, dazwischen zu reden: „Das machst du falsch!“ Am besten ist es, einfach freundlich zu sagen, wie es richtig gesprochen wird. Das wünschen sich die Jugendlichen selbst ausdrücklich. Es ist eins der größten Wunder, von denen die Bibel erzählt. Als da bei einem großen Fest in Jerusalem viele Leute aus allen möglichen Ländern zusammenkamen, mit vielen Muttersprachen, und plötzlich verstanden sich alle, wie von allein. Der Heilige Geist war in sie gefahren. Vielleicht geht es bei uns nicht so mühelos, dass wir uns verstehen. Gottes guten Geist können wir trotzdem gut brauchen. Und man kann wissen, was uns zusammen weiterbringt: Die einen, die ihre deutsche Sprache lieben, und die anderen, die sie lernen wollen.