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Gedanken über die Dreifaltigkeit

Gedanken über die Dreifaltigkeit

Prof. Dr. Gerhard Stanke
Ein Beitrag von Prof. Dr. Gerhard Stanke, Domkapitular

„Gottes kleine Rolle“ – hieß die Dachzeile eines Artikels in einer großen deutschen Tageszeitung Ende des vergangenen Jahres, der mich bis heute nicht loslässt. Der Autor stützt seine Aussagen auf eine repräsentative Befragung von 1.000 Frauen und Männern im Alter von 19 – 27 Jahren in Deutschland. Danach bezeichnen sich 19 % als sehr religiös oder religiös, 20 % teils, teils, 24 % weniger religiös und 37 % als gar nicht religiös. Die Unterzeile des Artikels lautete: „Nur noch eine Minderheit der jungen Erwachsenen ist gläubig, die großen Kirchen schrumpfen stetig. Das heißt aber nicht, dass viele Christen zu anderen Religionen abwandern.“

Der Autor kommentierte den Befund folgendermaßen: „Das Ich rückt an die Stelle Gottes, Selbstfindung und Selbstoptimierung ersetzen die Suche nach Erlösung und Heil, Familie und Freunde die Institution Kirche, die Freizeitgestaltung den Kirchgang. Es ist gar nicht so sehr die entschiedene Ablehnung der Kirchen, die zunimmt. Dass es die Kirchen gibt, finden die meisten irgendwie gut, kirchliche Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser sowieso. Die Kirchenmitgliedschaft wird aber zum Gegenstand der schlichten ökonomischen Überlegung: Was bringt mir das?“ Am Ende findet er noch ein tröstliches Wort für die Kirchen. Er schreibt: „Es spricht also viel dafür, dass die Kirchen auch dann noch viele Millionen Menschen binden werden, wenn sie zur Minderheit geworden sind. Es dürfte einen stabilen Kern gläubiger Menschen geben und die Gemeinschaft der treuen Fernstehenden, die mal kommen und mal nicht, je nach Lebenslage und Lebensphase“ (Süddeutsche Zeitung vom 22.12.2018).

Musik: Josef Haydn, aus dem Konzert für Trompete und Orchester, „II. Andante“, CD: Die drei Trompeter“, Dauer: 4:12

Während für viele Menschen die Bedeutung Gottes schwindet, erinnert die Kirche an diesem Sonntag daran, dass sich die Christenheit zu einem Gott in drei Personen bekennt, also zu Vater, Sohn und Geist. Sollte sich die Kirche – so könnte man fragen - nicht darauf beschränken, von einem Gott gleichsam als einer Person zu sprechen, wie es auch die Juden und die Muslime tun. Und sich damit von den Religionen abgrenzen, die viele Götter verehren? Genügt es nicht, wenn die Menschen überhaupt an Gott glauben? Muss die Kirche sie noch mit dem Bekenntnis von einem Gott in drei Personen konfrontieren, zumal dann immer hinzugefügt wird, dass das doch ein unbegreifliches Geheimnis ist? Was kann die Kirche zur Rechtfertigung ihrer Rede vom dreifaltigen Gott dagegen vorbringen? Sie könnte schlicht darauf verweisen, dass Jesus von Gott als seinem Vater gesprochen hat. Sich selbst hat er als Sohn in einzigartiger Weise verstanden. Und den Menschen seinen Geist verheißen, der in ihm wirkte und den er im Auftrag seines Vaters in die Welt brachte. Ihn bezeichnet er als Beistand, als Anwalt oder als Tröster. Und die Apostel haben das, was Jesus ihnen von Gott mitteilte, weitergesagt. Das führte vor allem zu Spannungen mit den Vertretern des jüdischen Glaubens. Die beriefen sich auf eine Aussage im Alten Testament, an die sie sich jeden Tag erinnern, nämlich: „Höre Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.“ (Deuteronomium 6,4) Und eine Stelle aus den Zehn Geboten lautet: „Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus der Sklaverei. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben“ (Deuteronomium 5,7). Es gibt nur den einen Gott Jahwe, so ihr Bekenntnis.

Aber es gab nicht nur Spannungen mit den jüdischen Gläubigern, sondern auch innerhalb der Kirche selbst. Über 300 Jahre hat sie sich mit den Worten Jesu über Gott und über seine Beziehung zu seinem Vater beschäftigt. Dabei war klar: Es gibt nur einen Gott. Das ist unbestritten. Wie ist es dann jedoch zu verstehen, dass Jesus von sich als Sohn und dann noch vom Geist spricht? Sind Sohn und Geist dem Vater untergeordnet? Aber dagegen steht das Wort Jesu: „Ich und der Vater sind eins.“ (Jo 10,30) Drei Jahrhunderte hat die Kirche darum gerungen, wie diese Aussage zu verstehen ist. Und dann kam sie zu dem Bekenntnis, dass es nur einen Gott gibt. Aber als Vater, Sohn und Geist. Eigentlich unfassbar. Aber so hat Jesus nun einmal von Gott gesprochen! Für Vater, Sohn und Geist wurde dann der Begriff Personen aus der Philosophie übernommen. Er findet sich also nicht in der Heiligen Schrift. So kam es zu der Rede von dem einen Gott in drei Personen als Bekenntnis der Kirche. Und dieses Bekenntnis verbindet die gesamte Christenheit. Aber braucht es dieses Bekenntnis? Ist es nicht überflüssig oder gar verwirrend? Wenn ich z. B. an den Dialog mit den anderen Religionen denke, die sich auch zu einem Gott bekennen: Erschwert dieses Bekenntnis dann nicht die Rede von Gott, so dass die Menschen sich kopfschüttelnd abwenden? Noch einmal: Jesus hat so von ihm gesprochen! Und wenn das so ist, welche Bedeutung kann dieses Bekenntnis für meinen persönlichen Glauben haben?

Musik: Georg Friedrich Händel, aus der Wassermusik „Meneut“, CD Wassermusik/Feuerwerksmusik“, Dauer: 2:45

Ein Gott in drei Personen – das bedeutet für mich: Gott ist in sich Beziehung. Das ist ganz und gar sein Wesen. In einem Brief des Neuen Testaments heißt es: „Gott ist die Liebe“ (1 Jo 4,8). Und Liebe meint Beziehung. Gott ist also keine einsame, in sich verschlossene Wirklichkeit, sondern die reine Beziehung, der reine Austausch, die reine Liebe. Ein Kind hat einmal gefragt: „Was hat Gott denn gemacht, bevor er die Welt erschaffen hat?“ Es dachte vielleicht: Das muss ja für ihn vorher langweilig gewesen sein, so ganz allein zu sein von Ewigkeit her. Da war die Erschaffung der Welt doch gleichsam eine Abwechslung. Eine Welt, die im Urknall mit einer unvorstellbaren Energie ihren Anfang nahm und eine Dynamik entwickelte, die immer noch ungebrochen Neues entstehen lässt. Jede Sekunde – so ein Astrophysiker – entstehen 30.000 neue Sterne. Jede Sekunde. Das wäre für ein Jahr eine stolze Zahl. Was ist das für ein Gott, der diesen Prozess initiiert hat und darin gegenwertig bleibt? Gott hat diese Welt aber nicht gebraucht, um eine Beziehung herzustellen. Denn er ist in sich lebendige Beziehung und Kommunikation. So verstehe ich das Bekenntnis: ein Gott in drei Personen.

In den Religionen gibt es einerseits die Vorstellung, dass es nur einen Gott gleichsam als eine Person gibt. Er ist der Schöpfer von allem, was ist. Andererseits gibt es Religionen, die von einer Vielzahl von Göttern sprechen. Zur Zeit des Neuen Testaments verehrten die Römer und die Griechen viele Götter. Die Vielzahl der Kräfte, ihr Miteinander und Gegeneinander hat Menschen dazu geführt, von einer Vielzahl von Göttern oder göttlichen Wesen zu sprechen. Sie stehen in Beziehung zueinander, manchmal aber auch in Konkurrenz. Man konnte sich nicht vorstellen, dass am Anfang nur eine Kraft wirksam war. Braucht es nicht im Grunde gegensätzliche Kräfte, aus denen Neues entsteht? Dass Gott in sich Beziehung ist, das ist nichts, was Menschen sich ausgedacht haben. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes: Offenbarung. Gott hat in Jesus sein innerstes Wesen offenbar gemacht. Der Apostel Johannes schreibt an einer Stelle: „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.“ (Joh 1,18) Ein Gott in drei Personen – ein Geheimnis von Einheit und Verschiedenheit. Hat das auch etwas zu bedeuten, für das Selbstverständnis des Menschen?

Musik: Georg Friedrich Händel, aus der Wassermusik „Rigaudon“, CD Wassermusik/Feuerwerksmusik“, Dauer: 2:31

Am Anfang der Bibel heißt es: „Gott schuf den Menschen als sein Abbild, als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.“ (Gen. 1,27). Der Mensch als Mann und Frau ist Abbild Gottes. Man kann sagen: Gemeinsam sind sie Abbild Gottes. Und gleichzeitig auch einzeln als Frau und als Mann. Der Mensch als Abbild des dreifaltigen Gottes ist dann auch auf Beziehung ausgerichtet. Er ist bildlich gesprochen nicht wie eine Kugel, also in sich abgeschlossen, sondern wie eine Schale, offen für die Kommunikation. Bereit zu empfangen und fähig zu geben. Und im Empfangen und Geben vollzieht sich das Leben. Die offenen Hände sind dafür ein Symbol: Wer die Hände geöffnet hat, dem kann ich etwas schenken. Und wer etwas geben will, muss die Hände auch öffnen. Eine Faust ist das Symbol für Verschlossenheit. Unfähig zu empfangen und zu geben. Leben vollzieht sich im Mitteilen, im Miteinander. Wer nichts annehmen will, verkümmert. Und wer nichts geben will, erstickt. Der Mensch als Ebenbild Gottes ist also auf Gemeinsamkeit und Beziehung ausgerichtet.

Und diese Beziehung lässt Neues entstehen. Beziehung ist fruchtbar. In der sexuellen Beziehung wird das ganz besonders erfahrbar. Aber es gilt für alle Formen des Miteinanders. Jedes echte Miteinander verändert: Es weitet das Denken, durchbricht das Kreisen um sich selbst, nimmt Neues auf und weckt manchmal bei anderen Menschen auch neue Fähigkeiten. Was ein Mensch ist, ist er auch durch andere geworden. Keiner verdankt sein Leben sich selbst. Er hat es empfangen. So verdankt er seine Entfaltung und Reife auch anderen Menschen. Und wenn ich auf die Menschheit als Ganze schaue: Es ist eine Menschheit in der Vielfalt der Völker, Kulturen und Sprachen. Wir haben heute durch die modernen Medien vielfältige Möglichkeiten des Miteinanders. Und durch die vielfältigen Verkehrsmittel auch die Chance zur persönlichen Begegnung über alle Ländergrenzen hinweg. Und die Begegnung mit neuen Kulturen bereichert. Alles Leben ist Beziehung. Es steht in einem großen Zusammenhang von den niedersten Lebewesen bis zum Menschen. Alles steht in Verbindung zu allem. Es ist die eine Erde, die die eine Menschheit in ihrer Vielfalt bewohnt. Wer auf Kosten anderer leben will, zerstört auch die eigenen Lebensgrundlagen. Das ist heute im Denken sehr präsent. Es müsste aber noch mehr unser Handeln bestimmen. Die Parolen: „Ich zuerst“ „Wir zuerst“ „Unsere Nation zuerst“ bringen kein Glück! Der Mensch findet das Glück nicht, wenn er nur um sich selbst kreist und nur für sich selbst lebt. Aber er findet Glück und Erfüllung in der Beziehung zu Gott und seinen Mitmenschen. Das ist auch meine Erfahrung: Wenn ich Menschen begegnet bin, die inneren Frieden ausgestrahlt haben, konnte ich feststellen: Das sind Menschen, die ein gutes Herz und offene Hände haben. Das ist so, weil der Mensch Abbild Gottes ist, der in sich Beziehung ist: ein Gott in drei Personen. Ein Geheimnis der Einheit in Verschiedenheit. Diese Wahrheit hat Gott auch in die Schöpfung gelegt. Gott ist Einer, der uns als Vater ins Leben ruft, als Sohn in die Freiheit führt und als Geist die Lebenskraft schenkt.

Musik: Johann Wilhelm Hertel, aus dem Trompetenkonzert Es-Dur, „III. Vivace“, CD: Die drei Trompeter, Dauer: 3:44

 

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