Die alten Eltern
Die alten Eltern sind ein großes Gesprächsthema meiner Generation. Ein Freund erzählt: „Am Sonntag war ich mit meinem Vater im Restaurant. Er hatte sich Jägerschnitzel bestellt und schnitt verzweifelt an seinem Fleisch herum und schimpfte: ‚Nicht mal scharfe Messer haben die hier!“ Dabei zitterten seine Hände unübersehbar.“
Eine Freundin erzählte von Ihrer Mutter, die sich ständig beschwert, dass das Telefon nicht mehr funktioniert, dabei sind es einfach ihre Ohren, die am Telefon nichts mehr hören können.
Und dann sind da noch die Gespräche zur Fahrtüchtigkeit der Eltern. Der Vater, der kaum etwas sieht, fährt immer noch Auto.
Die Gebrechlichkeit der Eltern lässt Kinder nicht kalt und ruft sehr unterschiedliche Gefühle hervor. Manche sind erschüttert über die Schwäche der Eltern. Andere sehen eher ihre neuen Pflichten, weil sie sich jetzt sehr um sie kümmern müssen.
Da tun sich viele Gefühle auf. Manche sind wütend. Alte Verletzungen aus der Kindheit brechen auf. Manche sind schlicht traurig. Manche kümmern sich pflichtbewusst um ihre Eltern und überfordern sich dabei.
Viele fühlen sich in ihre Kindheit zurückversetzt und erleben die Eltern wie damals. Aber seitdem hat sich ja viel verändert. Die Eltern sind nicht mehr so wie früher und die Kinder auch nicht. Aber womöglich ist die Zeit vorbei, wo man durch echte Auseinandersetzungen die Verhältnisse zueinander klären kann. Denn irgendwann sind die Eltern gar nicht mehr in der Lage dazu. Ich denke aber, eine innere Auseinandersetzung mit den Eltern macht dennoch Sinn – allein schon für sich selbst. Wenn es gut geht, kann man sich aussöhnen mit dem, was früher war.
Dazu ist eine gewisse Distanz zu früheren Zeiten nötig. Es geht darum, die alten Eltern so zu sehen wie sie jetzt sind.
Mit den Augen des Glaubens betrachtet, kann ich die Würde entdecken, die den alten Leuten auch dann noch unverbrüchlich eigen ist, wenn sie hinfällig sind. Und vielleicht kann ich, mit den Augen der Liebe betrachtet, auch ihre Grenzen sehen, in denen sie schon immer gelebt haben. Das könnte mir das Herz für das öffnen, was sie mir jetzt noch zu geben haben:
Wie oft habe ich schon beim Besuch meiner Mutter im Altenheim gespürt, dass hier meine eigene Geschwindigkeit verlangsamt wird. Ich konnte auf der Bettkante ruhiger werden, spürte das eigene Bedürfnis nach Ruhe und sagte: „Mutti, jetzt würde ich mich am liebsten ein wenig zu Dir legen und ausruhen.“ Ich gestehe, ich wurde tatsächlich viel ruhiger und fühlte mich meiner Mutter so nah wie schon lange nicht.