Jahresringe der Bäume – Jede Lebensgeschichte ist einzigartig
Zürich 1999: Ein Orkan entwurzelt einige 100 Jahre alte Bäume. Der Künstler Peter Emch schneidet aus diesen Baumstämmen Scheiben heraus. Er fertigt Holzdrucke von den Reliefs der Jahresringe. Sie sind wie der Fingerabdruck der Bäume. Jede Scheibe ist einzigartig. Unterschiedlich dick. Die Ringe legen sich in unregelmäßigen Kreisen um die Mitte. Jeder Ring hat seine eigene Form. Manche sind gleichmäßig, andere holprig und uneben.
Breite Ringe erzählen von guten Jahren mit viel Licht und Feuchtigkeit, schmale von schlechten, in denen es zu trocken oder zu kalt war. Forscher vergleichen Jahresringe. Sie können daran feststellen, wie sich das Klima verändert hat. Jahresringe erzählen Geschichten über die Entwicklung eines Baumes, über sein Leben.
Wer mehrere Baumscheiben nebeneinander betrachtet, sieht: Jeder Baum ist ein Lebewesen mit eigener Lebensgeschichte und von unverwechselbarer Gestalt.
Der Baum ist in vielen Kulturen ein Symbol für das menschliche Leben. Er steht aufrecht wie ein Mensch und streckt sich zum Himmel aus. Die Blätter, Blüten und Früchte eines Baums stehen für Lebenskraft. Ein Baum versinnbildlicht das Leben – weil er wächst und sich wie das Leben verändert.
Mich faszinieren die Holzdrucke, die der Künstler Peter Emch von den Jahresringen der Bäume gemacht hat. Sie zeigen mir: Auch mein Leben ist von unsichtbaren Jahresringen durchzogen. Auch meine Jahresringe sind nicht geometrisch, nicht genau abgezirkelt – sie haben ihre ganz eigenwillige Form. Es gibt wacklige und ebenmäßige Kreise. Auch in meinem Leben kann ich gute und schlechte Jahre sehen, die an Körper und Seele ihre Spuren hinterlassen haben.
In einem Psalm in der Bibel stehen dafür Worte des Dankes: „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin. Wunderbar sind deine Werke, das erkennt meine Seele.“ Gott hat mich wunderbar gemacht, mit den kräftigen und mit den dünnen Ringen meiner Jahre. Mit dem, was mich geprägt hat.
Manchmal tut es weh, da drauf zu schauen; besonders, wenn ich auf die mageren Jahresringe sehe. Aber ein Baum zeigt mir: Er wird erst mit seinen dünnen und dicken, mit seinen krummen und regelmäßigen Ringen zu dem, was er ist: Ein einzigartiger Baum."