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Glaube als Wagnis - zum 85. Geburtstag von Hans Küng
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Glaube als Wagnis - zum 85. Geburtstag von Hans Küng

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt

Ich schwimme gern. Mein Körper fühlt sich dann so leicht an. Schon als Kind war ich eine Wasserratte. Aber das ist nicht bei allen Menschen so. Tatia zum Beispiel kommt aus Georgien und ist jetzt bei uns AuPair-Mädchen. Sie hat nie Schwimmen gelernt. Vor Wasser hat sie großen Respekt. Dass das Wasser den Menschen tragen kann, wenn man die richtigen Bewegungen macht, ist nicht selbstverständlich für sie.

Hans Küng, der berühmte katholische Theologe, hat einmal einen interessanten Vergleich gezogen und gesagt: „Der Glaube an Gott ist wie das Wagnis des Schwimmens: Man muss sich dem Element anvertrauen und sehen, ob es trägt.“

Hans Küng hat in seinem Leben viel gewagt und riskiert. Von Anfang an hat er über den Tellerrand geschaut und sich nicht nur mit seiner eigenen Kirche beschäftigt. Als junger Mann war er ein vielversprechender Theologe und wurde von Papst Johannes dem XXIII als Berater ins 2. Vatikanische Konzil geholt. Später wurde ihm aber die Lehrerlaubnis entzogen. Er hatte die Struktur der katholischen Kirche zu sehr kritisiert. Das war eine harte Krise für ihn. Im Rückblick hat er von den schlimmsten Monaten seines Lebens gesprochen. Aber sein Glaube hat ihm offensichtlich geholfen, auch durch stürmische Gewässer zu schwimmen.

„Der Glaube an Gott ist wie das Wagnis des Schwimmens: Man muss sich dem Element anvertrauen und sehen, ob es trägt.“ Ich frage mich, ob das stimmt. Beim Schwimmen ist das Element, das trägt, das Wasser. Und beim Glauben? Wer oder was trägt mich da? Was ich aber verstehe und richtig finde: Der Glaube ist ein Wagnis. Denn Gott kann man nicht sehen und nicht beweisen. Deshalb ist es ein Risiko, Gott zu vertrauen.

Wie beim Schwimmen ist es auch beim Glauben: Wer als Kind schon geübt hat, dem fällt es auch später leichter. Wer als Kind mitbekommen hat, wie Erwachsene mit Gott reden und Gott vertrauen, der wird sich Gott ganz selbstverständlich anvertrauen können. Ich zum Beispiel hatte Glück. Meine Eltern und ein Lehrer und später viele Freunde haben mir den Glauben vorgelebt, auch wenn mir das Ganze manchmal sehr zweifelhaft war. „Wenn die an Gott glauben, dann muss da etwas Wahres dran sein“, habe ich immer wieder gedacht. Das Wagnis kam mir dann gar nicht mehr so groß vor. Das Wagnis des Glaubens vergleiche ich mit vielen Wagnissen in meinem Leben: einem Freund zu vertrauen, eine Liebesbeziehung zu riskieren, ein Kind in die Welt zu setzen, jeden Morgen neu meinen Alltag zu bewältigen.

Von Hans Küng nehme ich heute zwei Erkenntnisse mit: Der Glaube ist ein Wagnis, das sich lohnt; der Glaube trägt durch die Stürme des Lebens. Und: Der Glaube ist nichts Unvernünftiges – Schwimmen ist ja auch nicht so unvernünftig. Ich sende evangelische Grüße an Hans Küng, der heute seinen 85. Geburtstag feiert.

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