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Feiertagsgedanken zu Karfreitag
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Feiertagsgedanken zu Karfreitag

Ksenija Auksutat
Ein Beitrag von Ksenija Auksutat, Evangelische Pfarrerin, Stockstadt

I

Der Karfreitag ist ein stiller Feiertag. Keine Feste, keine Kundgebungen, keine Ausflüge. Auch keine Tanzveranstaltungen. Die Kommunen achten darauf, dass er eingehalten wird. Denn es ist ein Tag, an dem es ernst zugeht mit den Gedanken und dem Gedenken.

Karfreitag steht für die Trauer darüber, dass Jesus, der für Christen der Sohn Gottes ist, auch leiden und sterben musste. Sie glauben: Weil Gott selbst litt und starb, ist er ein menschlicher Gott.

Mitgefühl, Mit-Leid helfen Betroffenen, mit ihrem Kummer und Schmerz umzugehen. Leid hat es zu allen Zeiten gegeben und gibt es auch jetzt. Der Karfreitag als Feiertag gibt dem Raum. Denn Leid ist ansonsten fast ein Tabu-Thema.

Viele bemühen sich, das Leid zu umgehen, wenn es möglich ist. Das ist ja auch verständlich. , Es ist auch das Thema von Ärzten und von der Gesundheitsvorsorge. Es ist der Inhalt vieler guter Wünsche, die wir uns auf den Weg geben bei Festen und Jubiläen.

Die Menschen werden älter. Viele bemühen sich, gesünder zu leben. Wenn ich jemanden zum Geburtstag besuche und frage: „Was wünschen Sie sich für ihr neues Lebensjahr?“, dann antworten die meisten: „Gesundheit, das ist mir das allerwichtigste“. Vielleicht noch ein langes Leben, aber ohne viele Beschwerden und Leiden.

Die Wünsche leuchten ein. Es bleibt eine ständige Aufgabe, Leid zu mindern. Der Tod aber bleibt, und das Leid auch. Wir können davor die Augen verschließen, aber wir können es nicht verschwinden lassen. Wenn einem selbst ein Leid nahe kommt, wird es plötzlich bewusst. Das kann sein, wenn jemand aus der Familie schwer krank wird. Oder wenn man selbst einen Unfall erleidet und mit den Folgen belastet ist. Wenn man einen Schicksalsschlag zu tragen hat.

Der Tod ist eine unausweichliche Grenze. Heute, am Karfreitag, werden wir daran erinnert.

Auch Gottes Sohn ist diesen Tod gestorben, mit ungefähr dreißig Jahren. So alt oder richtiger: so jung war Jesus, als er am Kreuz starb. Musste das sein? War dieser Tod nicht vermeidbar?

II

Warum konnte Jesus das Leid nicht umgehen? Warum konnte Gott ihn nicht daran vorbei führen? Hätte Gott ihm das nicht ersparen können? Er war doch der Sohn von Gott, dem Allmächtigen!

Das haben sich damals schon die Menschen gefragt: „Hilf dir selbst, wenn du Gottes Sohn bist, und steig herab vom Kreuz!“

Wie war das alles gekommen? Es war damals das Passahfest in Jerusalem. Im ganzen Land waren Menschen unterwegs, es brodelte nur so von Gerüchten und Nachrichten.

Die Römer hielten das Land besetzt. Es gab Einheimische, die mit ihnen paktierten, die sich arrangierten. Aber die meisten hatten zu leiden. Sie sehnten sich nach Freiheit, nach Unabhängigkeit. Und vor allem nach einem besseren Leben.

In den Wochen vor diesem Passahfest machten Berichte von Jesus die Runde, dem umherziehenden Wanderprediger. Überall erzählte man sich davon, dass er Menschen heilte. Dass er Tote zum Leben erwecken konnte. Dass er der Sohn Gottes sei, der nun die Rettung bringen würde.

Am Sonntag vor dem Fest kam Jesus auch nach Jerusalem, er zog ein wie in einem Triumphzug. Die Menschen feierten ihn als Held, alle wollten in seine Nähe kommen.

Es gab Warnungen. Man wusste, dass die Machthaber sehr argwöhnisch waren. In die Hauptstadt des Landes wimmelte es nur so von Polizei und Soldaten, von Spitzeln und Zuträgern.

Aber: Er hätte nicht hingehen müssen. Er hätte sich in die Weite Galiläas zurückziehen können, irgendwo in den Bergen Unterschlupf finden. Und dann, wenn die erregte und nervöse Stimmung sich wieder beruhigt hätte, hätte er weiter machen können. Er hätte noch vielen Menschen weiter Gutes tun können. Er hätte länger seine Botschaft von der Gewaltlosigkeit weiter geben können.

Viel mehr Jünger hätten sich gewinnen lassen. Noch viel mehr Menschen wären von ihm begeistert worden für das Reich Gottes.

Wenn er dann in hohem Alter als weiser Mann, als Lehrer der göttlichen Weisheit gestorben wäre, dann hätten sich Schulen und Klöster gebildet, die in seinem Namen weiter gemacht hätten.

Aber was wäre dann mit Gott? Gott wäre einer, der um das Elend und das Leid einen Bogen macht. Ein Gott, der ausweicht vor dem, was für Menschen unausweichlich ist. Einer, der nur auf der Sonnenseite des Lebens steht, bei den strahlenden Siegern. Was wäre dann mit den Verlierern und den Verlorenen?

III

In Jesus wurde Gott Mensch, mit allen Konsequenzen. Auch mit der Konsequenz zu sterben.

Zu jedem Leben gehören Freude und zu jedem Leben gehört Leid. Kein Leben verläuft ohne Probleme, ohne Schwierigkeiten, ohne Hürden, die man überwinden muss, ohne Tiefen, durch die man sich quälen muss.

So ist es auch Jesus ergangen. Der Sohn Gottes, Gott selbst, hat sich dem Leiden ergeben.

Gott ist also nicht ausgewichen. Er ist nicht ein Sonnengott auf der Seite von Gewinnern.

Gott ist da, wo Menschen leiden. Gott selbst hat gelitten. Weil Gott Mensch geworden ist, teilt Gott das Leid der Menschen.

Deshalb lehrt mich der Karfreitag, dem Leid anderer nicht auszuweichen, es nicht irgendwo an den Rand zu schieben, so dass es scheinbar unsichtbar wird.

Karfreitag ist auch da, damit das eigene Leid, die Angst oder Sorge Raum bekommen: Davor, krank zu werden, auf Hilfe angewiesen zu sein, allein zu sein. Gerade wer das erlebt, der sehnt sich doch danach: Dass er die unausweichliche Grenze des Todes überwindet. Und neues Leben bekommt und gerettet wird. Neues Leben und Rettung: Das erhoffen und erbitten Christen von dem, der um das Elend keinen Bogen gemacht hat. Sondern es durchlebt und durchlitten hat bis zum bitteren Ende des Karfreitags. Nur ein Gott, der die Tiefen kennt, kann sie auch überwinden.

Deshalb muss man dem Leiden nicht ausweichen, es nicht verdrängen oder an irgendwelche Einrichtungen delegieren. Auch nicht es überspielen, indem man diesen Feiertag nicht ernst nimmt. Sondern im Gegenteil: An diesem Tag sensibel sein für das Leid, hinschauen und es erkennen - bei Menschen in der Nähe und in der Ferne.

Es ist gut, wenn Menschen anderen im Leid beistehen. Wo es gilt, Wunden zu pflegen, Krankheiten zu lindern, da können wir es tun. Und wenn es keine Hilfe, keine Besserung gibt, dann kann man einfach füreinander da zu se in: Zuhören, eine Hand halten, beten.

Aber es geht nur bis zu einem bestimmten Punkt. Und manchmal auch gar nicht. Wenn man einfach nicht mehr sagen kann: „Es wird schon wieder“. Wenn man den anderen nicht mehr auf morgen vertrösten kann, oder übermorgen, oder wenn die Zeit alle Wunden geheilt haben wird.

Was dann tragen kann: an den Gott glauben, der nicht in den himmlischen Höhen geblieben ist, der nahe ist bei den Schwachen, den Traurigen. Jesus Christus ist durch die Tiefe des Schmerzes hindurch gegangen. Dieser Glauben kann einem neue Kraft geben, in Extremsituationen sogar über die eigenen Kräfte hinaus.

Ich glaube, darum ist Jesus nach Jerusalem gegangen, ans Kreuz, und nicht ausgewichen. Um anderen einen Weg zu weisen und zu bahnen durch das Leid hindurch und darüber hinaus. Daran erinnert der Karfreitag.

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