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Schnee von gestern
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Schnee von gestern

Gabriele Heppe-Knoche
Ein Beitrag von Gabriele Heppe-Knoche, Evangelische Pfarrerin, Kassel

Nach den Festtagen sind wir - wie immer in den letzten Jahren - für einige Tage in die Berge gefahren. Das kleine Dorf in den Alpen war tief verschneit, als wir ankamen. Heuer hat es enorm geschneit, sagt die Pensionswirtin, die ganzen Hügel an den Straßenrändern, alles noch vom ersten Schneefall Ende November. Da ist nichts weggetaut.

Mir fällt die Redewendung ein: Alles Schnee von gestern. Mit diesem Satz wird oft etwas abgetan, was man gerne ablegen, abschütteln möchte, was keine Bedeutung mehr haben soll für die Zukunft. Meistens sagt das einer, wenn ein anderer darauf beharrt, dass dies oder jenes, was verabredet war, was vorgefallen ist oder was man doch schon begonnen hatte, nun auch eingelöst und abgearbeitet werden müsse. Alles Schnee von gestern. Diese Antwort spricht dem, was zurückliegt, alle Bedeutung ab, denn der Schnee von gestern wird doch heute schon tauen und verschwinden. Hätte man vielleicht gerne. Aber auch so ein fragiler Stoff wie Schnee kann erstaunliches Beharrungsvermögen entwickeln. Er bleibt und bleibt und bleibt und liegt uns vor den Füßen im Weg und macht Arbeit. Kalt und eisig und oft sogar schon schmutzig und grau.

Der Schnee von gestern.

So einfach werden wir nämlich viele Dinge nicht los, wie diese Redewendung es nahelegt. Manche Erfahrung, mancher Konflikt, manche schwierige Entscheidung lasten auf uns und vergehen nicht einfach von selbst, nur weil sie jetzt Vergangenheit sind. Vergangenheit kann eine erstaunliche Macht entwickeln. Sie reicht bis in die Gegenwart und kann uns das Leben schwer machen. Gerade unsere deutsche Vergangenheit hat uns gezeigt, wie wenig manches doch Schnee von gestern ist und wie jeder Versuch, die eisigen Hügel der eigenen Vergangenheit zu vertuschen oder zu ignorieren, auf den zurückschlagen kann, der sich ihr nicht stellt. Da hilft auch aller frischer weißer Neuschnee nicht, der die alten Hügel verdeckt.

Und doch ist es auch heilsam, wenn man von der Last der Vergangenheit befreit wird. Aber das geht nicht durch Zudecken. Nur wenn das helle Licht darauf scheint, werden die Hügel abgetaut und zu Schnee von gestern. Von Jesus wird in vielen Kirchenliedern als dem hellen Morgenstern gesungen. Bei Jochen Klepper heißt es (Ev. Gesangbuch Lied 16, Strophe 4): Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld. Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld. Beglänzt von seinem Lichte hält euch kein Dunkel mehr, von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her.

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