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Niemals vergessen!

Niemals vergessen!

Alexander Matschak
Ein Beitrag von Alexander Matschak, Medienkoordinator des Bistums Mainz
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Diese Nachricht hat mich ziemlich schockiert. Vor ein paar Tagen habe ich in meiner Tageszeitung gelesen: Viele junge Deutsche wissen kaum noch etwas über die Shoa. So das Ergebnis einer Umfrage. Ein Viertel von ihnen weiß wenig bis gar nichts über die systematische Vernichtung der Juden durch die Nationalsozialisten. Ich kann mir das gar nicht so recht vorstellen: Es ist doch Thema in der Schule. Man kann hervorragende Bücher darüber lesen. Immer wieder gibt es Features und Dokumentationen im Radio und im Fernsehen, große Texte im Internet und in Zeitungen. Eigentlich kommt man an diesem Thema nicht vorbei. Aber vielleicht gehört das ja zu den Gründen, dass so viele Jugendliche nichts von der Shoa wissen: Es gibt womöglich zu viele Informationen darüber.

Trotzdem: Mich schockiert es, wenn junge Leute kaum etwas über die Ermordung der Juden wissen. Denn das macht sie ja anfälliger für Antisemitismus und Fremdenhass. Und den gibt es immer mehr. Auch heute noch werden Jüdinnen und Juden in Deutschland antisemitisch belästigt oder sogar bedroht. Vor kurzem war zu lesen: Ein Drittel der Juden denkt ans Auswandern. Noch immer müssen Polizeiautos vor deutschen Synagogen stehen. Männer, die die traditionelle jüdische Kopfbedeckung Kippa tragen, werden auf offener Straße angegriffen. Und Politiker nennen die Zeit des Nationalsozialismus einen „Fliegenschiss in der Geschichte“ und rufen nach einer „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“.

Meine Kinder sind sieben und neun Jahre alt. Und ich denke: Sie sind nicht zu jung, um ihnen etwas über die Vernichtung der Juden zu erzählen. Im Herbst waren wir in Berlin und sind auch am Holocaust-Mahnmal vorbei gegangen. Und natürlich haben sich meine Kinder gewundert über die Betonstelen mitten im Herzen Berlins und gefragt: „Papa, was ist das?“ Ich habe versucht, es ihnen zu erklären. Ihnen eine Vorstellung davon zu geben, was vor 80 Jahren im Deutschland passiert ist. Dass Kinder nicht mehr schwimmen gehen durften, nur weil sie Juden waren. Dass sie nicht mehr einkaufen oder ins Kino gehen durften, nur weil sie Juden waren. Dass Mädchen und Jungen plötzlich aus den Schulklassen verschwunden sind. Dass Nachbarn nachts abgeholt wurden und nie wieder gekommen sind. Dass sie einen Judenstern tragen mussten. Dass nur ganz wenige Menschen dagegen protestiert haben. Dass so etwas niemals wieder geschehen darf. Und dass uns dieses Denkmal daran erinnert.

Ich weiß nicht, was meine Kinder davon begriffen haben. Ob sie überhaupt eine Ahnung davon bekommen können, was damals geschehen ist.  Ich kann es mir ja selbst auch kaum vorstellen. Aber ich sehe es als meine Pflicht an, ihnen über diese Zeit zu erzählen. Sie sollen über die Shoa nicht unwissend bleiben. Sondern sensibel dafür werden, wohin Hass und Rassismus im schlimmsten Fall führen können.

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