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Sechs Minuten und 40 Sekunden – Wie Friedensstifter gehört werden
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Sechs Minuten und 40 Sekunden – Wie Friedensstifter gehört werden

Dr. Anke Spory
Ein Beitrag von Dr. Anke Spory, Evangelische Pfarrerin, Bad Homburg-Gonzenheim

„Meine Freundin Carmen kann sich nicht mehr über ihre Klavierstunden beschweren, Scott macht keine Witze mehr mit Cameron, Helena hängt nach der Schule nicht mehr mit Max ab.“ Mit diesen Sätzen hat die Schülerin Emma Gonzales an ihre Mitschüler erinnert, die ein Amokläufer in der Parkland Schule in Florida am 14. Februar erschossen hat.
Emma Gonzales spricht auf der Kundgebung „March for our Lives“, zu der Ende März 800.000 Menschen nach Washington gekommen sind. Vor allem Jugendliche haben sich zwischen dem Kapitol und dem Weißen Haus versammelt. Sie denken an die Toten von Parkland, aber auch an die Toten von Las Vegas, von Sutherland Springs und vielen anderen amerikanischen Schulen und Orten, an denen es in den vergangenen Jahren Amokläufe gab.
Bei der Kundgebung in Washington geschieht etwas Ungewöhnliches. Emma Gonzales unterbricht ihre Rede für sechs Minuten und 40 Sekunden. Sie schweigt. Und mit ihr schweigen 800.000 Menschen. Sechs Minuten und 40 Sekunden: Solange hat das Massaker gedauert, das der ehemalige Mitschüler angerichtet hat und bei dem siebzehn Menschen ums Leben kamen. Sechs Minuten und 40 Sekunden, die das Leben von vielen Familien für immer verändert haben.
Ich bewundere die Entschlossenheit, mit der Emma Gonzales und viele andere für die Verschärfung von Waffengesetzen und die Verbote von Waffen eintreten. Sie erheben ihre Stimme, sie fordern die Politiker heraus, sie greifen die Waffenlobby an.
Jesus sagt in der Bergpredigt: „Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ Für mich sind diese Jugendlichen Friedensstifter. Sie wollen sich nicht damit abfinden, dass auf Gewalt mit noch mehr Waffen geantwortet wird. Sie wollen von Lehrern unterrichtet werden, die ihnen Mathe, Englisch und Sport beibringen. Sie wollen nicht, dass ihre Lehrer zu Hilfssheriffs ausgebildet werden müssen, um sicheren Unterricht zu geben. Sie wehren sich dagegen, einfach wieder zur Tagesordnung zurückzukehren. Sie möchten, dass dies nie wieder geschieht, ihre Bewegung heißt „never again“. Deshalb gehen sie auf die Straße. Sie trauern um ihre Freunde und Angehörigen und stellen politische Forderungen, damit sich solche Verbrechen nicht wiederholen.
Die Entschlossenheit der Jugendlichen reißt auch viele Erwachsene mit. Eine Schülerin namens Olivia hat ihren Opa gefragt, ob er sie zu der Kundgebung nach Washington begleitet. Er sagt: „Bis vor zwei Wochen hätte ich mir nie im Leben vorstellen können, jemals auf eine Kundgebung zur Verschärfung der Waffengesetze zu gehen.“ Er selbst hat viele Waffen im Schrank. Für Waffenverbote war er nie. Nun ist Schluss. Er trägt ein Sweat Shirt, auf dem Waffen abgedruckt sind. Sie sind mit dicken roten Strichen durchgestrichen. Der Protest der Jugendlichen hat ihn aufgeweckt. Auch er ist ein Friedensstifter geworden.

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