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Warum "in-sich-gehen" nötig ist

Warum "in-sich-gehen" nötig ist

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Guten Morgen an einem ganz normalen Werktag in Hessen. Bis vor ein paar Jahren hatten wir am Buß- und Bettag noch frei. Dann ist der allgemeine Feiertag abgeschafft worden, um die Pflegeversicherung zu sichern. Das hat zwar nicht geklappt, aber der Feiertag ist weg. Vielleicht haben damals schon zu wenige Leute überhaupt etwas mit dem „Böse Buwe-Daach“ anfangen können.

Unser Nachbar Robert schon. „Böse Buwe-Daach“, das Wort hab ich von ihm. So ganz genau weiß er auch nicht darüber Bescheid, sagt er. „Auf jeden Fall geht es aber darum, dass „die böse Buwe an dem Tag auch emal in sich gehn.“ Ich finde, das trifft die Sache ganz gut. Wer in sich geht, weiß ja, dass es Irrwege gibt im Leben. Wer in sich geht, weiß: das lohnt sich: mal anhalten, in sich gehen, etwas entdecken, das so nicht bleiben kann. Dafür ist der „Böse Buwe-Daach“ da.

Manches von dem, was ich dabei in mir finde, kann ich vielleicht selbst in Ordnung bringen: Ich kann mich aufraffen zu einem guten Wort oder einer ausgestreckten Hand für den, mit dem ich mich wieder vertragen will und in Frieden leben. Ich kann mich entscheiden Fehler, die ich entdecke, nicht einfach so immer weiter zu machen. Wenn ich in mich gehe, stoße ich aber vielleicht auch auf Dinge, die ich eben nicht öffentlich machen möchte.

Oder Nöte und Missstände fallen mir ein, die ich alleine nicht in Ordnung bringen kann, weil sie zu groß sind, vielleicht sogar die ganze Welt betreffen. Dafür gibt mir der Gottesdienst am Buß- und Bettag Zeit. Er ist für mich der Ort für beides: Für die Ruhe in mich zu gehen, nur so für mich und ein Ort für den gemeinsamen Blick auf die Umkehrchancen, die wir als Gesellschaft brauchen. Auch wenn der „Böse Buwe-Daach“ kein Feiertag mehr ist, finden heute in Hessen viele Gottesdienste statt, meist in den Abendstunden.

Bei uns beginnt das Fürbittengebet heute Abend so: "Vor dich, Gott, bringen wir, was uns belastet und bedrückt: Was wir gerne tun würden – und es nicht können. Wie wir gerne wären – und es nicht sind. Und dann singen wir: "Meine engen Grenzen, meine kurze Sicht bringe ich vor Dich, wandle sie in Weite, Herr erbarme dich!"

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