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Pharrell Williams: "Happy"
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Pharrell Williams: "Happy"

Stephan Krebs
Ein Beitrag von Stephan Krebs, Evangelischer Pfarrer, Langen
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Schreibe einen Song, der sich anfühlt wie verliebt sein. Dieser Auftrag ging an Pharrell Williams. Er ist derzeit einer der angesagtesten Talente in der US-amerikanischen Musik-Szene. Und Pharrell Williams lieferte. So kam der Song „Happy“ zustande – im Sommer 2013. Extra komponiert für den Film „Ich – einfach unverbesserlich“ Teil 2. Ein Kino-Spaß mit den niedlichen Minion-Figuren. Da konnte noch niemand ahnen, welche Folgen dieser fröhliche Song noch haben würde – bis hin zu einem traurigen Polit-Drama.

Musik: Strophe 1

Es mag ein wenig verrückt klingen, was ich jetzt sagen werde: Sonne, sie ist hier, du kannst mal Pause machen. Ich bin ein Heißluftballon, der so viel Luft hat, dass er in das Weltall steigen könnte.

Ein Song, der die Lebenslust weckt

Im November 2013 wurde der Song auch außerhalb des Kinofilms veröffentlicht. Sofort stürmte er in zehn Ländern an die Spitze der Charts. Auch in Deutschland. Natürlich lief er täglich im Radio und weckte die Lebenslust. Der Song ist ansteckend und das will er auch sein. Ganz schnell springt der Funke über. Die Füße wippen mit oder gleich der ganze Körper. Der Song hat Ohrwurm-Qualitäten und das ist kein Zufall, sondern geplant. Ohrwürmer müssen schlicht sein. Die zentrale Botschaft muss häufig wiederholt werden. Der Song „Happy“ besteht zu 62 Prozent aus Refrain, das sind 20 Prozent mehr als bei Popsongs sonst üblich sind.

Musik: Refrain

Denn ich bin glücklich. Klatsche mit, wenn du dich wie ein Haus ohne Dach fühlst. Klatsche mit, wenn du fühlst, dass Glück die Wahrheit ist. Klatsche mit, wenn du weißt, was Glück für dich bedeutet. Klatsche mit, wenn du spürst, dass es das ist, was du tun willst.

Du kannst immer und überall happy sein

„Klatsche mit.“ Gebetsmühlenartig fordert der Sänger Pharrell Williams dazu auf mitzumachen. Und genau das haben viele getan. Der Videoclip zeigt 600 Menschen, die zu dem Song tanzen. Dieser Videoclip ist 24 Stunden lang und damit der längste aller Zeiten. Inzwischen ist nur noch eine vier-minütige Kurzversion im Netz zu sehen. Seine Botschaft lautet: Du kannst immer und überall happy sein: Auf der Straße oder im Kirchenchor. Als Kind oder als alter Mann. Auf der Autobahn oder zuhause. Im Armen- wie im Villenviertel. Als Sportler oder im Rollstuhl. Einfach ansteckend.

Tanz als Bedrohung der staatlichen und religiösen Ordnung

Unzählige Flashmobs wurden zu dem Song ins Netz gestellt. Und man sollte meinen: Es gibt nichts Ungefährlicheres als kleine Filme mit gut gelaunten Menschen, die tanzen und singen, dass sie happy sind. Doch das ist leider ein Irrtum. Einer dieser Videoclips wurde zum Drama. Darin tanzen sechs junge Menschen im Iran, Männer und Frauen zusammen, die Frauen unverschleiert. Darin sah die Religionspolizei eine Bedrohung der staatlichen und religiösen Ordnung. Die sechs wurden wegen Verletzung der öffentlichen Sittsamkeit verurteilt - zu 91 Stockhieben und sechs Monaten Haft. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt – immerhin das.

Zusammen tanzen macht stark

Lebensfreude als Gefahr für den Staat und die Religion. Das klingt absurd, ist es aber nicht. Menschen, die fröhlich und unbeschwert sind, verlieren ihre Angst. Deshalb mögen es Diktatoren nicht, wenn ihre Untertanen gute Laune haben und zusammen auf den Straßen tanzen. Denn dabei erleben sie sich als stark. Wer weiß, was sie dann noch alles tun? Deshalb sahen nicht nur die Religionswächter im Iran den Song kritisch. Auch christliche Fundamentalisten in den USA. Einer schrieb im Netz, der Song sei schlimmer als die der Rolling Stones, und die seien schon gottlos.

Musik: Refrain

Wie steht es mit dem Glücklich sein im Christentum?

Für mich ist das nicht gottlos. Im Gegenteil: Der Song fordert meinen Glauben auf gute Weise heraus: Wie steht es mit dem Glücklich sein im Christentum? Als Spaßreligion ist es ja nicht gerade bekannt. Schließlich ist das zentrale christliche Symbol ein Kreuz, also ein Folter- und Hinrichtungswerkzeug. Doch mir gefällt das Kreuz immer dann gut, wenn es leer ist. Dann nämlich erinnert es zwei Ereignisse. Zum einen daran, dass Jesus Christus daran gelitten hat - wie viele andere Menschen auch. Zum anderen erinnert das leere Kreuz daran, dass Jesus auferstanden ist. Um Hoffnung zu machen auf ein Ende des Elends in dieser Welt. Das Kreuz nimmt das Leben ernst: Gerade jetzt steht vielen nicht der Sinn nicht nach Tanzen und Lachen.

Die Liebe Gottes kann einen glücklich machen

Auch jenseits von Corona: Viele werden unterdrückt, ausgebeutet, leiden unter Mangel und Krankheiten. Ihnen gibt das Kreuz ein Zeichen: „Schaut her. Ihr seid nicht alleine, nicht verloren, nicht von Gott verlassen. Denn Jesus teilt euer Leid. Er will euch davon befreien. Ihr sollt glücklich, ja selig werden.“ Darauf zielt der christliche Glaube ab: Eine umfassende Freude am Leben, weil sich die Liebe durchsetzt, die Liebe Gottes. Sie kann einen glücklich machen, zum Lachen bringen und zum Tanzen.

Die Freude über Gott ist in der Geschichte des Christentums oft verloren gegangen

Immer wieder singen die Psalmen in der Bibel von der Freude über Gott. Doch das ist in der Geschichte des Christentums oft verloren gegangen. Der Philosoph Friedrich Nietzsche hat das ganz gut in diesem Satz zusammengefasst: „Die Christen müssten mir erlöster aussehen. Bessere Lieder müssten sie mir singen, wenn ich an ihren Erlöser glauben sollte." Das trifft schon.

Anders der Apostel Paulus. Der schreibt in einem Brief an eine christliche Gemeinde: „Freut euch in Gott allezeit!“ Und eindringlich wiederholt er: „Freut euch!“ Dazu haben Christen in der Tat allen Grund, denn Gott ist ihnen nah. Fragt sich nur: Warum muss es Paulus dann so eindringlich einschärfen?

Fühle dich, wie ein Haus ohne Dach

Weil es nicht so einfach ist, glücklich zu sein und vor allem: glücklich zu bleiben. Wie das geht, verrät auch der Song „Happy“ nicht. Er beschreibt nur, wie es sich anfühlt, wenn es da ist. Aber einen interessanten Hinweis gibt der Song doch. Im Refrain heißt es: Klatsche mit, wenn du dich fühlst wie ein Haus ohne Dach“. Ich finde: Das ist ein starkes Bild: ein Haus ohne Dach. Da kannst du frei hinausschauen in den Himmel. Großartig, wenn es trocken und mild ist, wenn der blaue Himmel oder die funkelnden Sterne hereinschauen. Weniger schön, wenn es regnet oder hochsommerlich-heiß ist. Ein Haus ohne Dach ist schutzlos. Schutzlos sein - so kann es einem mit dem Glücklich sein ergehen. Wer sich für das Glück rückhaltlos öffnet, macht sich auch verletzlich. Im weiteren Verlauf des Songs greift Pharrell Williams das noch einmal auf:

Musik

Hier kommen schlechte Nachrichten: Es wird dies und das gesagt. Nun, gib mir alles, was du hast und halte nichts zurück. Also, ich sollte dich wahrscheinlich warnen. Ich werde okay sein. Nichts gegen dich, vergeude nicht deine Zeit.

Pop-Poesie mit Andeutungen

Das ist Pop-Poesie mit Andeutungen. Hier steht offenbar ein Paar vor Augen, das sich streitet: Bittere Worte gehen hin und her. Das Glücksgefühl ist in Gefahr. Der eine Teil redet sich in Rage. Aber der andere bleibt locker und sagt: „Davon lasse ich mich nicht runterziehen und auch von sonst nichts.“ Nicht einmal der Streit mit der Partnerin kann also sein Glücksgefühl schmälern. Ob das realistisch ist? Kaum.

Das „Happy“-Glücksgefühl ist ein Ausnahmezustand

Das „Happy“-Glücksgefühl ist zwar ansteckend, aber es hält nur für eine gewisse Zeit an. Im Grunde genommen ist es ein Ausnahmezustand. Davor und danach geht es deutlich weniger spektakulär zu. Das weiß jeder und deshalb fragt man sich: Wie kann ich dieses Glücksgefühl erreichen – und dann möglichst lange halten? Ich glaube, das hat man nur begrenzt in der Hand.

Glücklich werden hat viel mit Liebe zu tun

Ich kenne ein paar Menschen, die wollen so gerne glücklich sein. Aber sie finden aus ihrem Unglück einfach nicht heraus. Seien es Depressionen, zerstörerischer Stress oder eine zerrüttete Beziehung. Der Weg hinaus würde sich anfühlen wie ein Haus ohne Dach: offen und unbehaust. Da braucht es schon Mut oder Gottvertrauen. Oder beides. Ich bin sicher: Glücklich werden hat viel mit Liebe zu tun. Wenn es Menschen gibt, die ich liebe und die mich lieben. Ich mache sie glücklich und sie mich.

„Mit wem will ich leben?“

Deshalb: Wichtiger als die Frage „Wo will ich leben?“ ist die Frage: „Mit wem will ich leben?“ Denn die, die ich liebe, geben mir einen Grund zu leben. Nicht zufällig lädt Pharrell Williams in seinem Song „Happy“ ein zum Mitmachen: Mit klatschen, sich einreihen bei denen, die ihre Lebenslust miteinander teilen und damit verdoppeln. Für mich singt da auch Gott leise mit.

Musik: Refrain

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