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Das gute, alte Tonband
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Das gute, alte Tonband

Dr. Joachim Schmidt
Ein Beitrag von Dr. Joachim Schmidt, Evangelischer Pfarrer, Darmstadt

Am 16. August 1935, heute vor 82 Jahren, wurde der staunenden Öffentlichkeit auf der Berliner Funkausstellung das Magnetophon vorgestellt, ein völlig neuartiges Aufzeichnungs- und Wiedergabegerät für Tonaufnahmen. Bis dahin gab es nur Schellackplatten für die Grammophone. Das Magnetophon, zu Deutsch: das Tonband trat seinen Siegeszug an, nach dem Krieg auch in Privathaushalten. In den 60ern kamen dann die kleinen Tonkassetten auf, in den 80ern die CDs, dann die USB-Sticks. Und heute bekommt man sowieso alles im Internet.

In 80 Jahren haben wir das Staunen verlernt, dass sich heute alles ganz einfach elektronisch aufzeichnen und fast unbegrenzt speichern lässt, Töne, Bilder, Filme, Nachrichten. Jahrtausende lang gab es nur die Schrift mit der Hand und das mühsam als Einzelstück gemalte Bild, seit 500 Jahren den Buchdruck. Heute ist die weltweit gespeicherte Datenmenge unvorstellbar groß und vielen irgendwie unheimlich.

Die Instanz, die nie etwas vergisst: So wurde in früheren Zeiten Gott beschrieben. Gott sieht alles und weiß alles, hieß es, und das war für die Menschen tröstlich und schrecklich zugleich. Im Internet ist das heute so ähnlich. Manche halten die riesigen Datenspeicher für so eine Art technischen Gottes-Ersatz. Tröstlich finde ich an dieser Technik allerdings rein gar nichts.

Nichts von Menschen Geschaffenes reicht in irgendeiner Weise an Gott heran. Das haben Menschen schon immer gewusst. Um sich daran zu erinnern, haben sie sich schon in grauer Vorzeit die Geschichte vom Turmbau zu Babel erzählt. Ein Turm, der bis in den Himmel reichen sollte, aus Überheblichkeit begonnen und elend gescheitert.

Solcher Selbstüberschätzung hat Jesus in vielen Reden und Gleichnissen die Botschaft von der unfassbaren Zuwendung und Liebe Gottes zu seinen Geschöpfen gegenübergestellt. Einer Liebe, die nicht beherrschen will. Eine Liebe, die alle kontrollierenden und manipulierenden Netze überwindet und die Freiheit gibt – notfalls eben auch die Freiheit, das Falsche zu tun.

Gottes Liebe schließt menschlichen Größenwahn nicht aus, aber sie kann vom Zwang befreien, immer mehr und mehr zu wollen. Genau das unterscheidet sie von Google und den anderen Machthabern des Internets, die uns gerne glauben machen, genau das sei der Sinn des Lebens. Zu diesem Zweck möchten sie auch alle unsere Daten am liebsten bis in Ewigkeit bewahren. Oder so lange es Strom gibt.

Ihnen und mir wird das nicht helfen, wenn unsere letzte Stunde gekommen ist. Eher schon der Gedanke an einen Gott, der uns nicht alles bis in alle Ewigkeit nachträgt.

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