Wenn das kein Wunder ist
Natürlich gibt es Wunder. Sogar in einem Garten in der Eifel. Da ereignet sich vor vier Jahren ein arges Missgeschick. Ein alter Herr arbeitet im Garten. Mit den Händen in der Erde. Als er sich später die Hände wäscht, erschrickt er: Sein Ehering ist weg. Nach fünfzig Jahren Ehe. Er geht in den Garten zurück und sucht und sucht. Aber er findet nicht. Der Ring ist weg. Die Trauer ist groß. Er geht weiter in den Garten, Jahr für Jahr, sät und erntet. Die Trauer bleibt. Bis voriges Jahr. Da geht er zu den Möhren und zieht sie aus der Erde. Vorsichtig wie immer, damit sie nicht brechen. Er legt sie in einen Korb und trägt sie zum Waschen in die Küche. Mit einem Bürstchen schrubbt er sie. Eine ist nicht schön gewachsen. Hat eine seltsame Delle. Als er die sauber macht, glänzt ihm was entgegen. Der Ehering. Die Erde hat bewahrt, was er verloren glaubt. Eine Möhre schützt seinen Schatz.
Wenn das kein Wunder ist. Und was für eins. Wunder sind eher kleine Dinge, die aber groß ausgehen. Das Scheitern, aus dem plötzlich ein Erfolg wird. Die Gesundheit, die überraschend zurückkommt. Die Liebe, die einer verliert und woanders wieder findet. Wunder ist, wenn der Himmel aufgeht, wo alles nur grau aussieht. Wenn eine am Boden zerstört ist und ein Etwas sie aufhebt. Dann ist die Freude groß. Und man fragt sich, wer so etwas kann. Wer richtet auf? Wer macht fröhlich? Wer verwandelt Unlust in Freude? Das ist die Frage. Wer macht, dass die Sonne mich tröstet und der Regen uns nützt?
Ich nicht, das weiß ich. Es gibt so viel Schönes, für das ich nichts kann. Das mir geschenkt wird, manchmal schon in die Wiege gelegt ist. Ich kann für kein Wunder. Ich kann nur danken. Mich freuen. Mein Leben ist keine dunkle Festung. Überall sind Fenster und Ritzen, durch die Gott scheint. Das glaube ich.
