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Hoffnung verbreiten - wie geht das?
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Hoffnung verbreiten - wie geht das?

Dr. Ursula Schoen
Ein Beitrag von Dr. Ursula Schoen, Prodekanin, Evangelisches Stadtdekanat Frankfurt

Christinnen und Christen leben aus der Hoffnung. Das sagt sich leicht, ist aber nicht einfach zu leben. Als 22-jährige Theologiestudentin wurde mir erstmals bewusst, wie schwer diese Aufgabe ist. Es war damals für alle Theologiestudierenden im Rheinland verpflichtend, ein Praktikum in einem Industrieunternehmen zu absolvieren. Ich war dazu in einer großen Backmittelfabrik. Wir etikettierten jeden Tag in einer Gruppe von Frauen Aromaflaschen am Fließband. Gleich zu Beginn meiner Arbeit rief mich der leitende Chemiker in sein Büro, ein überzeugter Sozialdemokrat. Es sei mir ja wohl klar, dass ich während meines Praktikums von jeder Art von Missionstätigkeit in seiner Abteilung abzusehen hätte. So teilte er mir mit. Dies war überhaupt nicht meine Absicht gewesen.

Ich kehrte ziemlich eingeschüchtert an meinen Arbeitsplatz zurück. Wenige Tage später fehlte eine ältere Kollegin. Ihr Mann war plötzlich an einem Herzinfarkt verstorben. Dies sorgte natürlich für Gesprächsstoff am Fließband. Es wurde vermutet und spekuliert.

Viele sagten, wie sehr sie mit der Familie mitfühlen. Und dann erzählten einige von ähnlichen Erfahrungen aus dem eigenen Leben oder aus der Bekanntschaft. Die Runde der Arbeiterinnen geriet in einen Strudel der Lebensdramen und menschlichen Abgründe. An eine geordnete Etikettierung war bald nicht mehr zu denken. Wieder rief mich der Abteilungsleiter in sein Büro. Er erklärt mir: Wie Sie sehen, ist unsere Abteilung zurzeit ein Jammertal. Verbreiten Sie mal etwas Hoffnung! So kehrte ich an meinen Arbeitsplatz zurück, um Hoffnung zu verbreiten. Ich habe gewagt zu sagen: Mit dem Tod ist nicht alles zuende. Ihr Mann ist jetzt bei Gott geborgen. Ob ich die Witwe mit meinen Worten erreicht habe, weiß ich nicht wirklich.

Deutlich ist mir jedoch das Gefühl der Ratlosigkeit geblieben. Wie gut wäre es, wenn die Hoffnung ein handliches Paket wäre, eine Sesam-Öffne-Dich Formel, die die einfach tröstet und Lebensfreude zurückholt. Im Glaubensbekenntnis bekenne ich als Christin: Ich glaube an die Auferstehung der Toten! Aber: Die Hoffnung bekennen, heißt noch ja lange nicht, dass andere wirklich Hoffnung spüren! In vielen Situationen habe ich seitdem versucht, Hoffnung zu geben. Heute bin ich überzeugt: Hoffnung wird nicht nur durch Worte weitergegeben, sondern durch das Herz.

Auch in der Bibel wird die Hoffnung als eine Suchbewegung des Herzens beschrieben. Wenn ich mit dem Herzen suche, fange ich an, mich auf das Leben einzulassen. Dazu brauchen Trauernde vor allem andere Menschen, die diesen Weg mitgehen, als Christinnen und Christen, in einer Gemeinde, als Mitmenschen. Mir hat ein Satz sehr geholfen: „Trösten heißt Zeit schenken“. Hoffnung geben, Trost geben ist kein „Hau-Ruck-Verfahren“. Es lässt die gleichen Fragen immer wieder zu und den Schmerz neu heraustreten. Trost braucht Zeit – keine fertigen Antworten!

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