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Neid ist die Wurzel allen Übels
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Neid ist die Wurzel allen Übels

Dr. Ulf Häbel
Ein Beitrag von Dr. Ulf Häbel, Evangelischer Pfarrer, Laubach-Freienseen
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„Es gibt immer Leute, die meinen, das Gras auf der anderen Seite des Zaunes sei grüner.“

Dieser Satz soll von Alexander Solschenizyn stammen. Wie mag er darauf gekommen sein? Wahrscheinlich aus Erfahrung. Es gibt immer Menschen, die neidisch auf andere schauen: Das Gras, das drüben wächst ist grüner, der Job, den ein anderer hat, wird besser bezahlt, woanders ist das Leben besser.

Es scheint zur menschlichen Natur zu gehören, dass wir uns mit anderen vergleichen. Manche Wissenschaftler meinen, dass dadurch der Forschergeist des Menschen entfacht und das Interesse an der weiteren Entwicklung des Lebens angestoßen wurde. Das stimmt auch: Indem ich mich mit anderen vergleiche, kriege ich raus, dass eben nicht alles gleich ist, dass es Unterschiede gibt, die auch bedeutsam sind. Zum Beispiel wie Männer oder Frauen das Leben empfinden und gestalten. Kinder und Erwachsene haben ganz unterschiedliche Eindrücke und Anschauungen vom Leben. Und die verschiedenen Kulturen  der Völker belegen das auch. Erst wenn ich die Unterschiede wirklich wahrnehme, wird das Interesse wach, es auch zu verstehen. Wenn ich aufmerksam wahrnehme wie anders ein anderer Mensch lebt, entsteht bei mir das Interesse, ihn in seiner Andersartigkeit zu verstehen. Vielleicht kann ich von ihm sogar lernen, etwas übernehmen oder mit ihm gemeinsam tun. Wahrnehmen, verstehen und dann handeln, das ist der Dreischritt, den wir gehen, wenn wir unsere so vielfältige Gesellschaft friedlich weiterentwickeln wollen.

Der erste Schritt ist, wirklich wahrzunehmen wie verschieden wir sind – also mit offenen Augen und Ohren durchs Leben zu gehen und mit einem wachen Geist und aufgeschlossenem Herzen einander zu begegnen.Das aufgeschlossene Herz ist in der Bibel das Sinnbild dafür, dass sich ein
Mensch dem anderen liebevoll zuwendet und nicht neidisch, verständnisvoll und nicht vorschnell urteilend.

Vielleicht hat Alexander Solschenizyn das gemeint, dass der Neid sich zu schnell einstellt, wenn wir uns untereinander vergleichen.

Es gibt immer Leute, die meinen, das Gras auf der anderen Seite des Zauns sei grüner.

Der neidische Blick macht unzufrieden und böse; manchmal führt er auch zu Übergriffen und Gewalt gegen andere. Neid ist die Wurzel allen Übels heißt es in einer Lebensweisheit der Bibel. Der neidische Blick über den Zaun tut dem Leben nicht gut.

Vielleicht wirkt das, was ich jetzt schildere abwegig oder merkwürdig. Ich betreibe eine kleine Landwirtschaft. Dazu gehört eine Schafherde, die ich auf einer Koppel halte. Da passiert es, dass ein Schaf seinen Kopf durch den Zaun steckt; das Gras auf der anderen Seite ist grüner. Es verheddert sich in dem Zaun. Und wenn’s da drin hängt, drängelt es weiter nach vorne statt den Kopf langsam zurückzuziehen. Schafe sind da ein bisschen doof, hat mir ein Schäfer gesagt.

Da fehlt anscheinend die vernünftige Einsicht, den Kopf behutsam aus der Schlinge zu ziehen, ist besser als dem neidischen Blick: „da drüben ist es grüner“ zu folgen bis du da nicht mehr rauskommst.

„Es gibt immer Leute, die meinen, das Gras auf der anderen Seite des Zaunes sei grüner.“ Die wird’s immer geben. Aber niemand muss dieser neidischen Einstellung folgen.

Es ist auch möglich, zum Leben Ja zu sagen wie es ist.

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