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"Master of the Universe"

"Master of the Universe"

Rüdiger Kohl
Ein Beitrag von Rüdiger Kohl, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt-Bockenheim

„Was hilft es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und dabei Schaden nimmt an seiner Seele?“ (Matthäus 16,26). Dieser Satz von Jesus kam mir in den Sinn, als ich den Film „Master of the Universe“ gesehen habe, „Herr des Universums“. Eine Dokumentation, die im Kino und im Fernsehen lief. Im Mittelpunkt steht Rainer Voss. Er blickt auf sein Leben als erfolgreicher Investmentbanker zurück. Auf den Glanz der fetten Jahre, als er unheimlich viel Geld verdiente. Auf sein Scheitern und seinen Neubeginn.

Rainer Voss erklärt, wie das Finanzsystem funktioniert. Er erzählt, wie es drinnen aussieht, im Inneren der Macht der Finanzmärkte. Und manchmal zeigt er, wie es in ihm selbst aussieht. Er ist Mitte fünfzig. Als junger Banker wollte er es nach oben schaffen. Wollte Teil dieses Universums sein, hinter glitzernden Hochhausfassaden. Er verbrachte bald nicht nur die Tage, sondern auch viele Nächte im Büro. Als ‚One Nighter‘, wenn er eine Nacht im Büro verbracht hat. Oder gar als ‚Two Nighter‘. Zwei Nächte hintereinander. Das gefiel seinem Chef, seiner Frau weniger. Er wusste: Wer von der Reinigungskraft am Schreibtisch angetroffen wird, hat den ersten Test bestanden.

Er machte eine glänzende Karriere. Dabei entfernte er sich immer mehr vom realen Leben. Er verschob am Computer Millionen mit einem Mausklick. „Sie müssen bereit sein, ihr Leben aufzugeben!“ Das hatte er oft gehört. Und den Preis gezahlt. Er arbeitete zu viel. Mit der Zeit bröckelte auch die Beziehung zu seiner Familie. „Warst Du ein guter Vater?“, will der Reporter wissen. Mit Worten antwortet Voss nicht. Doch seine Mimik zeigt: Die Frage rührt an seiner Seele. Die Zuschauer sehen einen Kinderspielplatz, aus einiger Entfernung von oben. Ganz ähnlich muss der Blickwinkel eines Bankers ausgesehen haben, der seine Kinder nur durch die dicken Glasscheiben der Fassade aufwachsen sah.

Rainer Voss war über lange Zeit ein Gewinner. Fühlte sich beinahe wie der „Herr des Universums“. Und hat dabei viel verloren. „Was hilft es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und dabei Schaden nimmt an seiner Seele?“ Jesus ermutigt damit, sich um die Seele zu kümmern. Das eigene Leben schonungslos zu betrachten, Fehler einzugestehen und dann einen neuen Weg einzuschlagen. Das gefällt Gott besser, als stur am eingeschlagenen Weg festzuhalten – dem Abgrund entgegen.

Rainer Voss änderte sein Leben. Als die Weltwirtschaft fast kollabierte, war der Schock groß. Er stieg aus und widmet sich nun in einer Stiftung Projekten, die anderen Menschen zugutekommen.

Wenn ich Rainer Voss im Film sehe, kommt er mir nahe. Ich muss nicht in den oberen Etagen der Finanzwirtschaft mitspielen, um ihn zu verstehen. All das kenne ich in anderen Formen von mir. Und von anderen auch: Falsche Prioritäten, Eigensinn, Abkapselung von den Mitmenschen. Ich begegne aber auch einem, der hinterfragt, was ihm lange selbstverständlich war. Der sich anschaut, was lange verborgen war. Die Wahrheit über das eigene Leben. Über die Beziehungen, die zerstört wurden. Über Gefühle, die verschüttet sind. Mir macht es Mut, einen Menschen zu sehen, der sich um seine Seele kümmert.

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