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Gute und schlechte Neugier

Gute und schlechte Neugier

Clemens Weißenberger
Ein Beitrag von Clemens Weißenberger, Katholischer Pastoralreferent, Frankfurt
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Meine Tochter hat meinen Freund mit ihren neugierigen Fragen richtig gelöchert: „Und wie alt bist du? Und hast du auch eine Frau? Und habt ihr Kinder?“ Ich musste lachen - und ich hab gehofft: der Freund, den ich nach langer Zeit mal wieder getroffen habe, kann damit gut umgehen. Zusammen haben wir festgestellt: Das ist halt so bei Kindern, die sind einfach neugierig. Eigentlich finde ich an Neugierde nichts Schlimmes. Gerade bei Kindern. Nur so können sie sich entwickeln, lernen, erwachsen werden. Aber auch als Erwachsener hört die Neugier nicht auf. Auch das ist wichtig. Denn ohne Neugier würde niemand forschen, und es würde keine neuen Erkenntnisse oder Erfindungen geben.

Es gibt aber auch Situationen, da finde ich Neugierde falsch und peinlich. Ich bin oft im Auto unterwegs und komme an einigen Unfällen vorbei. Da nervt es mich, wenn Autofahrer neugierig auf Unfälle starren und sie von der Polizei aufgefordert werden müssen, weiter zu gehen oder schneller am Unfall vorbei zu fahren. Inzwischen gibt es immer mehr Leute, die Unfälle mit dem Handy fotografiert und filmten. Teilweise wird das dann auch noch ins Internet gestellt. Ich finde es richtig, dass die Polizei da Anzeige erstattet. Weil solche Gafferei die Einsatzkräfte behindert und weil denen, die am Unfall beteiligt sind, ihre Würde genommen wird. Da werden Unfallopfer zu Objekten der Gaffer.

Beeindruckt hat mich ein Video, das vor einiger Zeit durch die Medien ging. Das hat ein Polizist gedreht, der den Fahrer eines Kleinlasters zeigt. Der versucht, an einer Unfallstelle einen toten LKW-Fahrer zu fotografieren. Der Polizist stellt den LKW-Fahrer zur Rede: „Kommen Sie, ich will Ihnen was zeigen!“ Und der Fahrer steigt aus. „Wollen Sie den Toten sehen?“ fragt der Polizist, und der verdatterte Fahrer geht mit. Kurz bevor es ernst wird, dreht sich der Fahrer um, anscheinend hat ihn der Mut verlassen. „Wieso machen Sie dann Bilder?“ wird er noch gefragt. Und dann sagt der Polizist zu dem Gaffer: „Schämen Sie sich!“ Was bewegt diese Menschen, so neugierig zu sein und Unfälle und Tote zu knipsen? Das ist ja nicht geschmacklos und gefährdet andere. Wenn ich einen Stau wegen Gaffern sehe denke ich immer: Das ist eine ganz grässliche Seite von Neugier.

Ich habe mir angewöhnt: Wenn ich an einem Unfall vorbeifahre, dann schicke ich ein Stoßgebet Richtung Himmel: Lieber Gott, steh denen bei, die da in den Unfall verwickelt sind! Es reicht mir, wenn Gott um sie weiß.

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