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The Lady with the Lamp
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The Lady with the Lamp

Vera Langner
Ein Beitrag von Vera Langner, Evangelische Pfarrerin, Ober-Ramstadt
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Sie ist mir in der Schulzeit zum ersten Mal begegnet, Florence Nightingale. Im Englischbuch lasen wir ihre Geschichte mit der Überschrift: „The Lady with the Lamp“. Die Dame mit der Lampe. Ihre Lampe war eine Öllampe, die sie in der Hand hielt auf dem Bild im Englischbuch.

Florence Nightingale - eine Ikone der Nächstenliebe

Florence Nightingale stand in einem dunklen Raum mitten zwischen kranken und verletzten Männern, die auf notdürftigen Lagern im  Finstern kaum zu erkennen waren. Nur auf einen fiel das Licht ihrer Lampe, und man sah seine traurigen und sehnsuchtsvollen Augen. Er blickte auf zu dieser Frau, die mit ihrem hellen Umhang und der Lampe in der Hand wie eine Ikone der Nächstenliebe auf mich wirkte.

Eine Tochter aus wohlhabendem Hause setzt sich für verletzten Soldaten ein

Wir lasen damals von Florence Nightingale, dass sie Tochter aus wohlhabendem Hause war. Sie hat sich im Krimkrieg 1854 bis 1856 aufopfernd für die kranken und verletzten Soldaten eingesetzt. Sie schaute sogar noch in der Nacht nach den Patienten, um ihnen Trost und Mut zuzusprechen. Florence Nightingale blieb mir in Erinnerung als eine junge Frau, die ganz konkret biblische Nächstenliebe in die Tat umgesetzt hat.

Eine Pionierin auf dem Gebiet der Krankenpflege

Später baute sie in England das Sanitätswesen auf und revolutionierte die Krankenpflege. Was für ein lebenswichtiger, anspruchsvoller Beruf die Krankenpflege ist, haben wir in Pandemie-Zeiten klar vor Augen. Florence Nightingale war eine Pionierin auf diesem Gebiet. Gegen den Willen ihrer Eltern entschied sie sich in jungen Jahren, in der Krankenpflege aktiv zu werden. Sie lernte diesen Beruf in einer Zeit, als pflegende Frauen in England noch gar keine Ausbildung hatten, oft dem Alkohol verfallen waren und in zweifelhaftem Ruf standen.

Gegen den Willen der Eltern will sie in der Krankenpflege arbeiten

Gegen alle Widerstände, die Florence Nightingale sogar bis in Depressionen trieben, willigten die Eltern schließlich doch ein, dass ihre Tochter in der Krankenpflege arbeiten konnte. Nightingale studierte danach an Krankenhäusern in Paris, lernte in der Kaiserswerther Diakonie und übernahm dann leitende Aufgaben in Pflegeeinrichtungen in England.

Sie fordert neue Hygienestandards

Die völlig desolaten Zustände, die sie mit ihren 35 Krankenschwestern im Krimkrieg erlebte, veranlassten sie, politisch aktiv zu werden. Sie forderte neue Hygienestandards und organisierte für das Lazarett neue Räume. Pflegematerial besorgte sie auf eigene Faust und baute die notwendige Logistik auf, ohne die üblichen bürokratischen Hürden.

Mit statistische Beobachtungen und mathematischen Kenntnissen ans Ziel

Mit Hilfe ihrer statistischen Beobachtungen und ihren mathematischen Kenntnissen entwickelte sie neue Schaubilder, um den Verantwortlichen die Tatsachen fach- und sachgerecht zu präsentieren. Das Datenmaterial dafür hat sie bei ihrer Pflege an den Betten ihrer Patienten gesammelt. Mit ihrer Lampe in der Hand hat sie den Kranken sowohl Trost gebracht als auch  deren Genesungsverlauf dokumentiert.

Schon Florence Nightingale forderte ständiges Hände waschen

Mitten in der Pandemie habe ich gelesen, dass Florence Nightingale schon in ihrer Zeit das ständige Händewaschen predigte, gut durchlüftete Räume forderte und ausreichend Abstand zwischen den Krankenbetten.  Das faszinierte mich. Deshalb habe ich mich näher mit dieser Frau beschäftigt. Dabei habe ich in ihrer Lebensgeschichte noch ganz andere Aspekte entdeckt, über die ich staunte. Davon mehr nach der Musik.

Musik: Johann Sebastian Bach, Präludium aus der Partita Nr. 1, BWZ 825 (Helene Schütz)

Die Sterblichkeit unter den Soladaten ging zurück

Florence Nightingale war mit 34 Jahren im Krimkrieg Mitte des 19. Jahrhunderts für die Krankenpflege der englischen Soldaten zuständig. Die Aufgabe übernahm sie mit Hingabe und Leidenschaft. Es war ihrem Einsatz zu verdanken, dass die Sterblichkeit unter den verletzten Soldaten signifikant zurückging.

Mit 36 Jahren chronisch krank

Sie selbst aber erkrankte so schwer, dass sie in Lebensgefahr schwebte. Als sie schließlich nach England zurückkehrte, war sie 36 Jahre alt und chronisch krank für den Rest ihres Lebens. Sie litt unter Herzproblemen, Schlaflosigkeit, Depressionen und Übelkeit. Auch immer wieder auftretendes Fieber machte ihr zu schaffen. Später kam eine schmerzhafte Wirbelkörperentzündung dazu. Sie war kurzatmig und hatte Muskelkrämpfe. Langzeitfolgen vielleicht. Das kennen wir auch heute.

Als ich die Liste ihrer Krankheitssymptome las, war ich verwundert. Diese starke Frau, die in ihrem Leben so viel erreicht hatte, war also ein kranker und gebrechlicher Mensch. Sie hat die Reformen im Krankenpflegewesen in England und darüber hinaus trotz schwerer gesundheitlicher Einschränkungen vorangetrieben.

Trotz schwerer gesundheitlicher Einschränkungen trieb sie die Reformen im Krankenpflegewesen voran

Dabei hatte sie sich als kranke Frau zurückgezogen in ihre Wohnung. Am öffentlichen Leben der englischen Gesellschaft nahm sie nicht mehr in gewohnter Weise teil. Sie konnte auch nicht mehr aktiv in der Krankenpflege arbeiten, sondern brauchte stattdessen selber Menschen, die ihr beistanden und sie unterstützten. Dennoch hatte sie eine Mission. Da sie dachte, dass sie nicht mehr lange zu leben hätte, arbeitete sie mit einer unermüdlichen Strebsamkeit.

Fragebögen für Kranken- und Armenhäuser

Sie richtete sich in ihrem Haus so ein, dass sie weiterhin wirken konnte mit den verbliebenen Möglichkeiten. Sie sammelte Daten aus Kasernen, Kranken- und Armenhäusern. Dafür entwickelte sie Fragebögen und ließ sie ausfüllen. Sie studierte Regierungsberichte und Stellungnahmen britischer Behörden und schuf sich so eine riesige Materialsammlung in ihrer Wohnung.

Aus den gesammelten Daten entwickelte sie dann anschauliches statistisches Bildmaterial, das es in dieser Form vorher noch nicht gegeben hatte. Aufgrund dieser Daten und Fakten konnte sie die verantwortlichen Ärzte, Politiker oder Sponsoren überzeugen, dass Veränderungen zwar kostspielig, aber langfristig auch erfolgversprechend sind

Sie fand Mitstreiterinnen und Mitstreiter für ihre Ideen

In einer Zeit ohne Telefon und Handy pflegte Florence Nightingale eine Fülle von Briefkontakten. Wenn es ihr gesundheitlich möglich war, empfing sie täglich Besucherinnen und Besucher am Vormittag und Nachmittag. Sie fand Mitstreiterinnen und Mitstreiter für ihre Ideen und nutzte ihre Popularität für großzügige finanzielle Unterstützung ihrer Projekte. Sie hatte aber auch wichtige Ratgeber, Freunde und Sympathisanten, die ihr wertvolle Anregungen gaben und sie unterstützt haben. 

"Notes on Nursing" – Anmerkungen zur Krankenpflege

Bahnbrechend wurde ihre Veröffentlichung zur praktischen Anleitung in der Krankenpflege. Florence Nightingale verfasste ein Buch mit nur 76 Seiten in bewusst einfacher Sprache, damit alle es lesen und verstehen konnten: „Notes on Nursing“ – Anmerkungen zur Krankenpflege.

Reformerin der Krankenpflege und Armenfürsorge

Sie, die Tochter aus einer wohlhabenden Familie, engagierte sich für das Wohl der Menschen aus armen und einfachen Verhältnissen. Sie stieß Reformen nicht nur in der Krankenpflege an, sondern auch in der Armenfürsorge. So brachte sie im übertragenen Sinn Licht in die Dunkelheit als Lady with the Lamp, als Dame mit der Lampe, als kranke Frau, die doch so viel zum Besseren wenden konnte. Woher nahm sie die Kraft dafür? Das hat sie ihrem Tagebuch anvertraut. Davon mehr nach der Musik

Musik: Sjaella, Ubi caritas

"Gott sprach mit mir und rief mich in seinen Dienst"

Im Januar 1837 grassierte eine Grippewelle im Süden Englands. Die damals 16-jährige Florence Nightingale war eine der wenigen, die gesund blieb. Deshalb war es ihr möglich, denen beizustehen, die erkrankten. Sie beschreibt ihr damaliges Wirken in einem Brief an ihre Schwester als das Arbeiten als Krankenschwester, Gouvernante, Hilfspfarrerin und Ärztin. Sie selbst blieb vor der Krankheit bewahrt und konnte dadurch anderen helfen. Diese Erfahrung gipfelte für Florence Nightingale in einem persönlichen Gottkontakt. Am 7. Februar 1837 beschreibt sie diese überwältigende Erfahrung mit einer kleinen Notiz in ihrem Tagebuch: „Gott sprach mit mir und rief mich in seinen Dienst.“

Mehr erfahren wir nicht. Offenbarungserlebnisse lassen Menschen oft demütig werden. Florence Nightingale wusste damals noch nicht, wie dieser Dienst konkret aussehen könnte. Sie fand ihre Aufgabe später im Bereich der Krankenpflege und Armenfürsorge. Sie blieb wohl auch mit Gott im Gespräch, denn in ihren Tagebüchern ist auch später immer wieder davon zu lesen, dass sie Gottes Stimme als persönliche Ansprache vernahm.

7. Februar 1837: Ihr persönlicher Gedenktag

Den 7. Februar, den Tag, als sie sich zum ersten Mal persönlich von Gott angesprochen fühlte und in seinen Dienst gerufen, würdigte Florence Nightingale zukünftig als persönlichen Gedenktag. Sie feierte diesen Tag jedes Jahr als besonderes Ereignis. Damit erinnerte sie sich an ihre Mission. Gottes Auftrag stärkte sie, als sie mit der Öllampe in der Hand am späten Abend noch mal durch das Lazarett ging, um nach den kranken und verletzten Soldaten zu schauen, die dort im Krimkrieg im Einsatz gewesen waren.

Trotz Krankheit blieb sie bei ihrer Mission

Sie verstand sich in Gottes Dienst. Trost und Hoffnung gingen von ihr aus. Als sie selbst krank war an Leib und Seele, erlebte sie, wie Gottes Auftrag weiter bestehen blieb. Sie wird Zweifel und Verzweiflung gekannt haben. Aber sie blieb bei ihrer Mission, für die Verbesserung der Krankenpflege zu sorgen. Vielleicht hat sie sich selbst manchmal darüber gewundert, wie unberechenbar das Leben ist und wie dennoch das Licht der Liebe Gottes immer wieder leuchtet durch Menschen, die sich in den Dienst nehmen lassen.

Florence Nigthingale setze sich auch für Reformen in der Armenfürsorge in Britisch Indien ein

Sie hatte nach all ihren Krankheitsgeschichten nicht damit gerechnet, dass sie sehr alt werden würde. Tatsächlich aber starb sie erst mit 90 Jahren. So war es ihr vergönnt, bis in den indischen Subkontinent zu wirken, der seit 1858 Britisch Indien hieß. Das britische Kolonialreich dort umfasste Indien, Pakistan und Bangladesch. Florence Nightingale setzte sich auch dort für Reformen in der Armenfürsorge ein und bewirkte Verbesserungen in der Wasserversorgung und Abwassersituation. Damit sollten die ständig auftretenden Hungersnöte der indischen Bevölkerung bekämpft werden.

Eine Stiftung für die Ausbildung indischer Krankenschwestern, Hebammen und Ärztinnen

Das durch die Kolonialmacht eingeführte Pachtwesen hinterfragte sie kritisch und warb um mehr Respekt für die indische Bevölkerung. Ganz modern klingen die Maßnahmen, die sie gemeinsam mit einer Stiftung in die Wege leitete: Sie eröffnete indischen Frauen den Zugang zu medizinischer Versorgung, gründete Apotheken und kleine Krankenhäuser auf dem Land. In großen Krankenhäusern wurden Abteilungen eingerichtet, in denen nur Frauen Zutritt hatten, sowohl als Patientinnen als auch als medizinisches Personal.

Die Stiftung ermöglichte die Ausbildung indischer Krankenschwestern, Hebammen und Ärztinnen. Am Ende ihres Lebens widmete sich Florence Nightingale dem Schreiben einfacher Fibeln, in denen sie Themen der Gesundheitsfürsorge behandelte, die dann in unterschiedliche indische Sprachen übersetzt werden konnten.

Bis ins hohe Alter für andere ein Licht und ein Segen

The Lady with the Lamp, die Dame mit der Lampe war auch noch im hohen Alter für andere ein Licht und ein Segen. Auch wenn sie selbst am Ende immer weniger sehen konnte, über zunehmenden Gedächtnisverlust klagte und die letzten 14 Jahre ihres Lebens weitgehend im Bett verbringen musste, sie blieb doch aktiv und kreativ im Rahmen ihrer beschränkten Möglichkeiten. Durch sie erlebten Menschen etwas von dem Licht der Liebe Gottes.

Am 13. August 1910 ist sie im Alter von 90 Jahren im Schlaf gestorben. Ein gnädiger Tod nach einem langen, mühevollen und segensreichen Leben mag das gewesen sein. Damit erreichte sie ein Alter, das weit über der durchschnittlichen Lebenserwartung damals lag. Sie wollte kein Staatsbegräbnis, sondern wurde auf eigenen Wunsch im Familiengrab bestattet. Auf dem Grabstein findet man bis heute ihre Initialen F. und N. für Florence Nightingale sowie den Tag ihrer Geburt und den Tag, an dem sie starb. Bescheiden und demütig wirkt diese Inschrift auf dem großen Grabstein aus weißem Marmor.

Ihre Lebensgeschichte wirkt weiter über ihren Tod hinaus

Ihre Lebensgeschichte wirkt weiter über ihren Tod hinaus. Ihre Mission, das Pflegewesen zu reformieren, bleibt eine Aufgabe bis in unsere Tage. Und es braucht wohl immer wieder Menschen, die sich berufen fühlen, bestehende Missstände aufzuzeigen und daran zu arbeiten, dass es besser wird.

Musik: Felix Mendelssohn Bartholdy, Wer nur den lieben Gott läßt walten, (Berliner Vokalensemble unter Stefan Göttelmann, Bernd Stegmann, Orgel)

Bei meiner Recherche zu Florence Nightingale bin ich bei Wikipedia auf zwei Sätze gestoßen, die ich in besonderer Weise typisch finde für diese Frau und das, was mich an ihr fasziniert. Dort steht:

„Den Bauplan des Netley-Hospitals, das 1863 eröffnet wurde, konnte Nightingale nicht mehr wesentlich beeinflussen. Auf ihre Empfehlung wurden aber wenigstens die Korridore des zentralen Militärkrankenhauses erweitert und mehr Fenster eingebaut.“ 

Licht und Weite sind wichtig für Leib und Seele

Ich finde, in dieser kleinen Episode wird eine christliche Grundhaltung sichtbar. Wir treffen oft auf Situationen, die vorgegeben sind. An den grundsätzlichen Plänen des Lebens können wir oft nichts mehr ändern. Aber so, wie Florence Nightingale damals größere Fenster vorgeschlagen hat und breitere Korridore, so können wir überlegen, wie mehr Licht und Bewegungsspielraum ins Leben kommen. Denn Licht und Weite sind wichtig für Leib und Seele. Gerade jetzt im Sommer machen sich wieder viele auf den Weg in die Berge oder ans Meer, dahin wo mehr Licht und mehr Weite zu erleben sind als zu Hause in den eigenen vier Wänden.

Trotz ständiger Krankheiten und Behinderungen ein segensreiches Leben führen

Die Lebensgeschichte von Florence Nightingale ermutigt mich, in meinem eigenen Leben nach mehr Licht und Bewegungsspielräumen Ausschau zu halten. Seitdem ich weiß, dass sie trotz ständiger Krankheiten und Behinderungen ein segensreiches Leben geführt hat, widerspreche ich manchmal Menschen, die mir sagen: Bleib gesund! Oder: Das Wichtigste ist doch immer die Gesundheit!

Nein, wichtiger scheint mir zu sein, dass ich die Aufgabe erkenne, die ich von Gott her habe, und diese Aufgabe erfülle, so gut es mir möglich ist. Und dann kann es passieren, dass auch das Alter mit seiner Last und seinen Beschwerden und Einschränkungen noch zu einer gesegneten Zeit wird.

Das Pflegebett im Wohnzimmer

Konkret denke ich an einen Mann, der seine Frau schon lange liebevoll begleitet hat, als ihre Demenz immer stärker wurde. Er ging jeden Tag mit ihr spazieren und war für sie da. Aber er organisierte auch Unterstützung im Haushalt und sorgte dafür, dass er selber immer mal wieder raus kam, sich mit anderen treffen und was unternehmen konnte. Nach einer Hirnblutung lag seine Frau im Wachkoma. Er hat das Pflegebett für sie im Wohnzimmer aufgestellt, damit seine Frau immer dabei war. Er unterhielt sich täglich mit ihr, auch wenn sie keine Antwort mehr geben konnte. Eine Pflegekraft und eine Haushaltshilfe haben ihn unterstützt.

"Wir führen eigentlich ein ganz normales Leben"

Er ging nun täglich alleine spazieren und freute sich über kleine Gespräche in der Nachbarschaft. Einmal sagte er: „Wir führen eigentlich ein ganz normales Leben, meine Frau und ich. Früher, als ich noch beruflich viel unterwegs war, war meine Frau immer für mich da. Jetzt ist es umgekehrt. Ich bin froh, dass sie noch da ist und ich dafür sorgen kann, dass es ihr gut geht. Sie hat ja keine Schmerzen und ist eigentlich soweit ganz gesund. Nur dass sie halt nichts mehr sagen kann und ich nicht weiß, was sie noch mitbekommt.“

Ich war beeindruckt von seinen Worten und wie er die Situation beschrieb. Immerhin war er weit über 80 Jahre alt, und so fragte ich nach: „Wie schaffen Sie das nur alles in Ihrem Alter?“ Da antwortete er kurz und einfach: „Das ist jetzt meine Berufung.“ Und ich spürte, er weiß Gott an seiner Seite. Und ich dachte: Für beide ist das eine Aufgabe. Für ihn, seine Frau liebevoll zu pflegen. Und für sie, sich lieben zu lassen.

"Das ist jetzt meine Berufung"

Licht und Weite auch in bedrängenden Situationen zu erleben, das ist für mich ein Geschenk Gottes. Je älter ich werde, umso mehr verstehe ich, was in der Bibel Paulus meinte, als er schrieb: „Gott sagte zu mir: Meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit.“  (2. Korinther 12, 9b) Oder wie es in einer anderen Übersetzung heißt: „Gottes Kraft kommt da zur vollen Wirkung, wo Menschen schwach und krank sind.“ (Übersetzung von Klaus Berger und Christiane Nord)

Im Leben von Florence Nightingale wird das für mich sichtbar. Natürlich freue ich mich, wenn ich gesund bin. Aber auch Kranksein soll mich nicht davon abhalten, auf Gott zu vertrauen und nach Licht und Weite Ausschau zu halten. Im übertragenen Sinn: Vielleicht lassen sich noch mehr Fenster und größere Korridore einfügen, auch wenn die Baupläne des Lebens schon weitgehend fertig sind.

Musik: Felix Mendelssohn Bartholdy, Psalm Op. 42 "Wie der Hirsch schreit" (Chamber Choir fo Europe unter Nicol Matt)

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