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Schöne Zumutung
GettyImages/Studiomoment

Schöne Zumutung

Martin Vorländer
Ein Beitrag von Martin Vorländer, Evangelischer Pfarrer und Senderbeauftragter für den DLF, Frankfurt
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„Da kommt noch eins“, sagte der Arzt und deutete mit dem Finger auf den Bauch meiner Mutter. Sie hatte gerade ein Kind geboren, einen Sohn, und dachte, sie könnte sich jetzt von der Geburt erholen und ihr Neugeborenes in den Arm nehmen.

"Da kommt noch eins."

Aber der Arzt sagte: „Da kommt noch eins.“ Die Wehen hörten nicht auf, die Geburt ging weiter, und zehn Minuten später hatte meine Mutter ein weiteres Kind zur Welt gebracht, noch einen Jungen. Eineiige Zwillinge, meine Brüder. Das war heute vor 47 Jahren am 7. Dezember 1973.

Es hat sich nicht anders angefühlt

Damals waren die Ultraschall-Untersuchungen in der Schwangerschaft noch nicht so engmaschig wie heute. Niemand hatte bemerkt, dass meine Mutter nicht mit einem, sondern mit zwei Kindern schwanger ging. Für sie selbst hat es sich auch nicht anders angefühlt als bei ihren beiden vorhergehenden Schwangerschaften.

Eine große Überraschung

Die Überraschung war groß. Mein Vater verhaspelte sich vor Aufregung am Telefon, als er seinen Eltern von den Zwillingen berichtete. Er gab ihr Gewicht nicht in Gramm, sondern in Kilogramm an – als wären die beiden Elefantenbabies.

Christian und Michael

Nun mussten meine Eltern in Windeseile alles doppelt organisieren, was sie bislang nur für ein Kind vorbereitet hatten: eine zweite Wiege, einen weiteren Vorrat Windeln und einen Namen für das unerwartete zweite Kind. Sie nannten sie Christian und Michael. Am Anfang trugen die beiden Bändchen am Handgelenk, damit man sie nicht verwechselte.

Advent, die Zeit für Erwartetes und Unerwartetes

Ich finde, es passt, dass meine Zwillingsbrüder im Advent geboren sind. Das ist die Zeit für Erwartetes und Unerwartetes. Im Advent geht es auch um eine Frau, die schwanger ist. Maria, die unverhofft guter Hoffnung wird. Unverhofft, weil sie mit Josef, ihrem Verlobten, noch gar nicht intim geworden war, so erzählt es die Bibel.

Der Engel Gabriel erscheint

Der Engel Gabriel erscheint Maria und verkündet ihr: „Du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und er wird der Sohn des Höchsten genannt werden, und du sollst ihm den Namen Jesus geben.“ (Lukas 1,31) Jesus bedeutet: Gott rettet.

Maria stellt sich der Zumutung Gottes

Einen Namen hatte Maria immerhin schon mal – im Unterschied zu meinen Eltern für  ihren unverhofften zweiten Zwillingssohn. Maria wird erst einmal überwältigt gewesen sein von der Zumutung, die ihr der Engel Gabriel da mitgeteilt hat. Unehelich schwanger werden, das wird für böses Gerede sorgen oder sogar für Schlimmeres. Aber mutig stellt sich Maria der Zumutung Gottes. Sie sagt zu dem Engel: „Mir geschehe, wie du gesagt hast.“

Man muss sich jeden Tag auf Unerwartetes einlassen

Ich selbst habe keine Kinder. Ich weiß also nicht, wie es ist, eine Schwangerschaft aus der Nähe zu erleben und Vater zu werden. Aber ich kann mit dem Begriff „guter Hoffnung sein“ viel anfangen. Ich finde, jeden Tag muss man sich auf Unerwartetes einlassen. Ich habe zwar meinen Plan mit den Terminen und Aufgaben, die anstehen. Aber selten läuft der Tag so ab, wie ich mir das gedacht habe. Ich muss mich auf das einlassen, was mir begegnet. Da gibt es ebenfalls Zumutungen, nervige, schwere und überraschend schöne.

Guter Hoffnung sein...

Ich halte vor allem die schönen Zumutungen hoch. Guter Hoffnung sein heißt dann: Es kann Höchstes dabei herauskommen, wenn ich mich auf das einlasse, was Gott mir in den Schoß wirft. Da kommt noch eins…Und das wird schön.

 

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