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Das nehme ich übel
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Das nehme ich übel

Martina Patenge
Ein Beitrag von Martina Patenge, Katholische Referentin für Glaubensvertiefung und Spiritualität, Kardinal-Volk-Haus Bingen

„Verzeihen? Nein, verzeihen muss ich nichts und niemandem. Ich bin schließlich nicht katholisch“… sagt die Sängerin im Radio-Interview. Hab ich richtig gehört? Das ist schon ganz schön heftig. Ich dachte immer, Verzeihen ist eine Aufgabe für alle Menschen. Nicht nur für Katholiken. Aber vielleicht drückt sich diese interessante Frau einfach gerne provokativ aus? Denn sie erzählt freimütig, dass sie ihren Kindern alles verzeiht. Und wenn sie selbst irgendwie Mist gebaut hat, dann will sie das wieder bereinigen, will drüber reden, streiten, klären. Das ist doch selbstverständlich. Sie will nur nicht ewig drüber nachdenken. Ach so. Ja, das klingt schon anders. Nicht mehr so ablehnend. Mit dem Verzeihen ist es ja wirklich so eine Sache ist: Jemandem verzeihen können, ist tatsächlich eine Kunst. Manchmal auch eine richtig schwere Aufgabe. Wenn die Sängerin auf die Religion anspielt – in der Tat hat Verzeihen in den christlichen Religionen eine große Bedeutung. In der Bibel lese ich von Jesus, dass wir nicht nur siebenmal, sondern siebenmal siebzigmal verzeihen sollen. O weh – so oft? Kann ich das? Und will ich das?

Jesus hatte damals gute Gründe für eine solche Rede. Und die haben sich bis heute nicht geändert. Immer wieder werden Menschen schuldig aneinander. Und weil das so ist, aber kein Zustand bleiben sollte, sagt Jesus: Vergebt einander! Und er meint damit: Seid nicht nachtragend! Das tut nicht gut. Damit verderbt ihr euer Leben. Er will, dass es den Menschen gut geht. Wer ewig nachtragend ist, schleppt ja dauernd eine Last mit sich herum. Ich kenne das von mir selbst ziemlich gut. Wenn ich dauernd mit übelnehmen beschäftigt bin, halte ich die üble Sache fest. So komme ich aber nie auf die Beine. So wird es mir nie besser gehen. Ich übe das Verzeihen aus purer Liebe zu mir selbst. Damit es mir wieder besser geht.

Es kann aber richtig schwer sein, einem Menschen etwas zu verzeihen. Je nachdem, was geschehen ist. Verzeihen heißt deshalb auch nicht: „Schwamm drüber“, alles vergessen. Vielleicht habe ich etwas erlitten, was mich schwer belastet. Das ist und bleibt die Schuld und Verantwortung des anderen. Für immer! Aber ich habe erfahren dürfen, dass es mir dennoch irgendwann besser gehen kann: Als es mir gelungen ist, auch sehr schwierige Erlebnisse zu verzeihen, habe ich sie der anderen Person in Gedanken zurückgegeben und mich davon befreit, damit ich selbst wieder besser leben kann. Deshalb, damit Menschen wieder besser leben können, hat Jesus dieses Gebot ausgesprochen: du sollst nicht nur siebenmal, sondern siebenmal siebzigmal vergeben.

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