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Songs of love and hate - Lieben, hassen, verzeihen

Songs of love and hate - Lieben, hassen, verzeihen

Thomas Zels
Ein Beitrag von Thomas Zels, Pastor, Freie evangelische Gemeinden Marburg

Manche schaffen es nie, eigene Fehler zuzugeben. Das fällt schwer. Leona Lewis schafft es. Sie beginnt ihren Song Forgiveness, Vergebung, damit, dass sie nicht immer mit dem Finger auf andere zeigen will. Sie will nicht zu denen gehören, die nur Vorwürfe machen und sich selbst als Unschuldslamm hinstellen. Leona Lewis ist auch kein Engel. Und Menschen tun anderen nun mal weh.

Ich will nicht noch einen Tag verschwenden
Mit Fingern zeigen, während ich Vorwürfe mache
Ich bin kein Engel, bin selbst nicht perfekt
Denn, Baby, ich bin auch nur ein Mensch
Und ich will das alles nicht an dir auslassen
Ich gebe zu, ich habe schmerzvolle Dinge getan
Und es tut mir leid, hab nichts wieder gutgemacht
Weil ich immer dachte, ich sei unschuldig

Leona Lewis brachte diesen Song 2007 auf ihrem Debütalbum „Spirit“ heraus, als Bonustrack. Das Album hielt sich wochenlang auf den Spitzenplätzen der europäischen und amerikanischen Charts. Wie kommt eine junge Frau wie Lewis dazu, so ein Lied zu veröffentlichen?

Vielleicht hilft ihre Lebensgeschichte das zu verstehen. Die Sängerin und Songschreiberin wurde 1985 in London geboren. Sie hat walisische und karibische Wurzeln. Leonas Talent wurde von ihren Eltern früh gefördert. Mit zwölf Jahren schrieb sie ihr erstes Lied. Dank ihrer kraftvollen Vier-Oktaven-Stimme siegte sie 2006 bei der britischen Castingshow The X-Factor. Das brachte ihr einen millionenschweren Plattenvertrag ein.

Ein Jahr danach gelang ihr mit der Singleauskopplung Bleeding Love der internationale Durchbruch. 2008 trat sie bei der Abschlussfeier der Olympischen Spiele in Peking zusammen mit Jimmy Page von Led Zeppelin auf, endgültig angekommen in der Liga der internationalen Spitzenstars. Hat so eine Frau es nötig, um Vergebung zu bitten? Von außen betrachtet ist doch alles bestens für sie gelaufen. Oder vielleicht nicht?

Heute fang ich an, mich zu ändern
Will nicht wieder die gleichen Fehler machen
Denn ich sehe einen neuen Horizont
Das Eis um mein Herz schmilzt
Der Schmerz den ich fühle, wird langsam schwächer
Jetzt weine ich nicht mehr
Die Brücke, die wir verbrannten, ist wieder gebaut
Sie führt zu einem neuen Anfang
Auch wenn es niemals so wie früher sein wird
Und darum rede ich über Vergebung
Vergebung, Vergebung, Vergebung

Auf der einen Seite hat Leona Lewis künstlerisch Erfolg. Eine Senkrechtstarterin. Aber da muss es noch eine unbekannte, persönliche Seite geben. Und da Lewis dieses Lied selber geschrieben hat, gehe ich davon aus, dass ihre Erfahrungen und Entschlüsse dort eingeflossen sind. Ich gebe zu, ich habe schmerzvolle Dinge getan, singt sie. Weil ich immer dachte, ich sei unschuldig. Aber ich will nicht wieder die gleichen Fehler machen. Die Sängerin hat sich 2010 von ihrem Dauer-Boyfriend Lou Al-Chamaa getrennt. Die beiden kannten sich schon als Kinder und waren seit ihrem 17. Lebensjahr zusammen. Aber seit Lewis international gefragt war, führte sie ein anstrengendes Leben rund um den Erdball.

Bald kriselte es zwischen den beiden und schließlich trennten sie sich. Für diese Aufs und Abs war vermutlich auch Lewis mitverantwortlich. War ihr der eigene Erfolg so wichtig, dass sie ihren Freund vernachlässigt hat? Hat sie ihn vielleicht durch andere Beziehungen aufs Spiel gesetzt? Sie spricht jedenfalls von ihren eigenen Fehlern, ohne konkret zu werden. Und eigene Fehler zuzugeben ist schwer.

Ich wünschte, wir könnten die Dinge zurücknehmen die wir sagten
Denn nicht alles was wir sagten, meinten wir so
Wir verloren den Kopf, in diesem Moment
Und die Wörter benutzten wir wie Waffen
Doch niemand gewinnt, wenn wir beide weggehen
Wir versteckten uns hinter denen, die wir wurden
Wir sind wärmer als das, wir sind besser als das
Und ich vermisse all die Dinge, die wir hatten

Heute weist nur noch eine Tätowierung auf Leona Lewis’ Knöchel auf ihren Ex-Freund hin. Leider klappt´s nicht immer mit der neuen Brücke. Aber es zu versuchen, ist trotzdem gut, selbst wenn es schwer fällt.

Ich kenne das auch. Ein alter Herr bat mich an sein Krankenbett. Es stand nicht gut um ihn. Seit Wochen plagten ihn starke Schmerzen. Da er mir früher schon viel aus seinem Leben erzählt hatte, wusste ich, dass er mit seiner Schwiegertochter zerstritten war. Ich habe ihm geraten, ihr zu vergeben. Die beiden hatten sich vor vielen Jahren sehr beleidigt und tief verletzt. Seitdem war der Kontakt abgebrochen. „Nein“, rief er empört, „lieber sterbe ich!“.

Ich fragte ihn, ob er sich nicht doch wieder mit ihr vertragen wolle. Aber er wollte nicht. Er würde nicht „zu Kreuze kriechen“, sagte er. Warum fiel diesem Mann das Vergeben so schwer? Ihm schien es wichtig, Recht zu behalten. Dabei hatten sich die zwei doch gegenseitig verletzt. Bestimmt gab´s da Dinge, die auch auf seine Kappe gingen. Das zuzugeben hätte helfen können, sich anzunähern. Vielleicht wieder eine Brücke zu bauen. Ich weiß, Vergebung kann man nicht erzwingen. Vielleicht war für ihn die richtige Zeit noch nicht da. Vielleicht konnte das Eis um sein Herz noch nicht schmelzen.

Ich hätte ihm gewünscht, einfach nur den Entschluss zu fassen. Denn Vergebung ist nicht nur eine Gefühlssache. Man kann sie auch wollen. Sicher kommen dabei schmerzliche Erinnerungen noch einmal hoch. Das tut weh. Aber, wie bei einer Operation, hilft es auch, die alten Verletzungen endlich loszuwerden. Dann hätte der alte Herr sein Leben frei von diesem Schmerz zu Ende leben können.

Leona Lewis weiß anscheinend, dass sie sich zur Vergebung entschließen kann, dass sie im Kopf beginnt. Ihr Song Forgiveness fängt mit den Satz an „Ich will nicht noch einen Tag verschwenden, mit Fingern zeigen, während ich Vorwürfe mache“. Und sie weiß auch, dass durch Vergeben wieder Kraft und Zeit frei wird für die schönen Dinge.

Wenn jeder vergeben und vergessen könnte
Wie viel Zeit könnten wir haben, Freunde zu sein
Wie viele Leben könnten wir ändern
Und all die Liebe die wir hervorbrächten
Baby, wie viel besser wäre die Welt
Am Ende

Ich erinnere mich noch an eine Freizeit als Jungendlicher. Da war ich das erste Mal gezwungen, zu entscheiden, ob ich jemandem vergebe oder nicht. Einer der Teilnehmer ging mir mit seinen abfälligen und ironischen Bemerkungen so auf die Nerven, dass ich aggressiv wurde. Ich fühlte mich persönlich angegriffen. Bei einer Diskussion über Bibeltexte warfen wir uns sogar gegenseitig unsere Bibeln an die Köpfe.

Der Leiter der Freizeit bestellte uns anschließend auf sein Zimmer. Wir sollten miteinander reden. Das war erst schwierig, weil wir voller gegenseitiger Vorwürfe waren. Aber nach und nach wurde klar, dass wir nicht weiter kommen würden, wenn wir nur mit dem Finger auf den anderen zeigten. Jeder von uns hatte sich daneben benommen. Am Ende konnten wir das zugeben und dafür um Verzeihung bitten. Wir fassten auch den Entschluss, uns gegenseitig zu vergeben. Erstaunlich war für mich, dass wir den Rest der Freizeit völlig entspannt und freundlich miteinander umgingen. Die Vergebung hatte uns einander näher gebracht.

Nach dieser guten Erfahrung fiel es mir später zwar immer noch schwer, anderen zu vergeben. Aber ich hatte besser verstanden, warum Jesus auf die Frage, wie oft wir vergeben sollen, seinen Jüngern gesagt hat: siebenmal siebzigmal. Also immer. Vergeben als Lebensstil. Dafür kann ich mich entschließen. Weil unser himmlischer Vater uns auch vergibt und einen Neuanfang möglich macht. Immer wieder.

In einer Bitte des Vaterunser heißt es: vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern. Vergeben ist so wichtig, wie das tägliche Brot.

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