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Fake in einer Kirche?
Bild: pixabay

Fake in einer Kirche?

Dr. Paul Lang
Ein Beitrag von Dr. Paul Lang, Diakon und Lehrer für Latein, Musik und Religion in Amöneburg
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Im kirchlichen Kalender ist heute der Gedenktag des heiligen Ignatius von Loyola. Er ist der Gründer des Jesuitenordens. Auch Papst Franziskus gehört dieser Gemeinschaft an. In Rom sind zwei Kirchen besonders mit dem heiligen Ignatius verbunden. Die eine ist "Il Gesu", eine monumentale Barockkirche. Sie ist der Hauptsitz des Ordens, nahe am Kapitol, dem römischen Rathaus.

Nur wenige hundert Meter weiter, zum Pantheon hin, befindet sich Sant‘ Ignazio. Diese Kirche ist besonders dem Heiligen gewidmet. Sie gehört für mich zu den spannendsten in Rom. Von außen verspielt, eine Einheit mit dem umgebenden Platz und den umliegenden Gebäuden, symmetrisch, harmonisch eingebunden.

Eine Besonderheit bietet der Innenraum: Beim Durchschreiten werden die Blicke von vielfältigen Kunstwerken und dem prächtig gestalteten Innenraum angezogen. Irgendwann aber fällt der Blick auf die Decke und die Kuppel. Wer sich der Kirche aufmerksam von Weitem genähert hat, stutzt da möglicherweise. Von außen wirkt der Raum viel niedriger, eine Kuppel ist da gar nicht zu sehen. Seltsam.

Und richtig: Wenn ich mich als Betrachter durch den Raum bewege, kann ich wahrnehmen, dass mit Decke und Kuppel irgendetwas nicht stimmt. Wenn ich den Platz im Mittelgang verlasse wirken sie seltsam verzerrt. Tatsächlich gibt es gar keine Kuppel. Der Künstler hat sie aufgemalt. Durch geschickte Darstellung der Perspektiven entsteht ein täuschend echter Eindruck, zumindest solange man an der richtigen Stelle nach oben schaut. Genauso hat er die Decke so gestaltet, als wenn sie eine ganze Etage höher aufragen würde, als sie es tut.

Fake in einer barocken Kirche. Das gefällt mir. Denn tatsächlich gehört das zur Botschaft dieser Kirche und ihres Baustils. Das verweist auf die Philosophie der Aufklärung.

Natürlich, sagt eine solche barocke Kirche mir, Du sollst in diesem Raum staunen und Gottes Größe bewundern - mit allen Deinen Sinnen. Prächtige Orgelmusik, liturgische Gesänge und Gewänder, Weihrauch und Blumenschmuck: was eine Freude.

Unsere Wahrnehmungen, unser Untersuchen und Forschen lässt uns die Welt immer besser erkennen. Das ist gut. Das hat gerade die Kirche nicht immer so klar betont. Warum aber Scheinkuppel und -decke? Bei aller Sinnenfreude, bei aller Begeisterung für die Evidenz, stellen sie eine charmante, aber deutliche Warnung dar: "Bei allem, was du mit deinen Sinnen wahrnimmst, hüte dich davor, dich einzig darauf zu verlassen. Die Sinne können sich täuschen. Und sie lassen womöglich nicht alles erkennen. Da gibt es noch mehr." Barock ist ein großes "Ja" zur Wissenschaft. Aber die Welt ist größer, bekennt der Glaube. Unser Forschen und Untersuchen ist nur ein Zugang ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Ein Psalm, ein Text der Heiligen Schrift überträgt das auf die Unfassbarkeit Gottes: "Du umschließt mich von allen Seiten und legst deine Hand auf mich. / Zu wunderbar ist für mich dieses Wissen, zu hoch, ich kann es nicht begreifen. / Danke, dass du mich so wunderbar gestaltet hast. Staunenswert sind deine Werke."

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