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Geistiges Fasten
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Geistiges Fasten

Clemens Weißenberger
Ein Beitrag von Clemens Weißenberger, Katholischer Pastoralreferent, Frankfurt
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Unsere Nachbarin meinte mit einem Augenzwinkern: „Wie gut, dass jetzt Fastenzeit ist, da verzichte ich auf Schokolade und nehme dabei auch noch ab!“ Ich dachte so bei mir: Das geht vermutlich vielen Menschen in den kommenden Wochen so. Fasten ist Abnehmen. Der Speck muss weg. Der Rettungsring oder der Dickbauch, wie meine Kinder es liebevoll nennen. Fastenzeit wird sicher auch genutzt um abzuspecken, zunächst rein körperlich.

Dann gibt es aber auch noch den „geistigen“ Speck, der sich ansammelt: Vorurteile, schlechte Launen, Ungeduld gegen anderen, solche Sachen. Ich frage mich: Wie werde ich eigentlich diesen „geistigen Speck“ wieder los?

Aus der Schule unserer Kinder kenne ich Wochenaufgaben. Die bekommen die Kinder, um an allen Tagen der Woche ein wenig abzuarbeiten und zu lernen, wie kleine Aufgaben großes Lernen bewirken. Ich habe mir überlegt, wie es wäre, mir in der Fastenzeit für die nächsten sieben Wochen jede Woche eine Wochenaufgabe zu geben: Eine Woche lang kein Fernsehen. Und stattdessen lesen, Musik hören oder mit den Kindern oder mit Freunden spielen.

Eine Woche lang nur Gutes über meine Mitmenschen sagen. Und dabei schauen und sich vergewissern, was ich gut an ihnen finde, was ich mag, wofür ich dankbar sein kann. Was für ein Schatz Freunde und Familie sind.

Eine Woche lang freiwillig und freundlich den Einkauf für die Familie übernehmen. Oder mich um Sachen kümmern, die ich anstrengend finde, die mich im Alltag ärgern und aufregen, wie Unordnung oder Müll liegen lassen. Und das ganze ohne Murren.

Eine Woche mich richtig gesund ernähren. Und mir einzugestehen, welchen Wert Lebensmittel haben oder welchen sie haben sollten. Weil ich damit auch an die denke, die diese Lebensmittel herstellen.

Eine Woche lang meiner Frau, meinen Kindern, meinen Kolleginnen und Kollegen echte Komplimente machen. Und mich daran freuen, was sie ausmacht und was sie gut können.

Eine Woche lang das Haus aufräumen und weggeben, was ich nicht mehr brauche. Anderen vielleicht eine Freude bereiten und mir eingestehen: Manchmal kann weniger mehr sein.

Eine Woche lang die Bibel auf den Esstisch legen und mal schauen, was passiert. Und sie vielleicht aufschlagen und mir etwas vom Glauben der Menschen und ihren Erfahrungen mit Gott erzählen zu lassen.

Sieben Wochen – sieben Wochenaufgaben. Ich glaube, es ist einen Versuch wert. Nicht nur körperlich fasten, sondern auch geistig Versuchungen widerstehen. Schließlich gehören Körper und Geist zusammen, nicht nur in der Fastenzeit.

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