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Von Wagemut und Gelassenheit

Von Wagemut und Gelassenheit

Anne-Katrin Helms
Ein Beitrag von Anne-Katrin Helms, Evangelische Pfarrerin, Erlösergemeinde Frankfurt-Oberrad

„Unser Kind soll es mal besser haben als wir!“ So haben das die Leute früher oft gesagt. Sie kamen aus der Kriegszeit und hatten die schlechten Jahre miterlebt. Die Sorge um das Nötigste sollte ihren Kindern erspart bleiben. Heute hört man das selten. Den meisten geht es unvergleichlich besser als damals. Vielen geht es auch richtig gut.

Und trotzdem schauen auch heute viele nicht ohne Sorge auf die Kinder. In jedem Kind steckt eine große Hoffnung. Das sieht man oft in den Gesichtern von frisch gebackenen Eltern. Hoffnung, dass ihr Sprößling glücklich wird und ein gutes Leben hat. Und vielleicht auch, dass mit ihm die Menschheit ein Stück vorankommt und die Welt besser wird.

Am Anfang der Bibel heißt es: „Seid fruchtbar und mehret euch!“. Das ist keines der Zehn Gebote Gottes, sondern eine Einladung, bei der Schöpfung mitzumachen. Gott schafft Himmel und Erde, Pflanzen und Tiere und den Menschen als Mann und Frau. Und dann lädt er sie ein, selbst schöpferisch tätig zu werden: Gestaltet das Leben! Lasst Neues entstehen! Seid mutig und gebt weiter, was ihr geschenkt bekommen habt!

Eltern können viel dafür tun, dass es Kindern gut geht. Und natürlich treten sie an, um es besser zu machen als ihre Eltern. Dabei weiß ich: in der Erziehung meiner Kinder vermeide ich diese drei oder fünf Fehler, die meine Eltern bei mir gemacht haben. Aber stattdessen mache ich andere. Da kann ich mich anstrengen, wie ich will. Am Ende wird doch nicht alles richtig gewesen sein.

Die Angst davor, Fehler zu machen, kann verkrampfen. Manche Leute kriegen dann keine Kinder. Oder sie machen sich ständig Sorgen, dass sie alles richtig machen, und geben ihre Unsicherheit und den Perfektionsdrang an die Kinder weiter.

Für mich ist Gottes Aufforderung da nützlich und heilsam „Seid fruchtbar und mehret euch!“ Für mich heißt das: Gott lädt ein, ihm zu vertrauen. Er schafft jedes seiner Menschenkinder als sein Ebenbild. Er gibt jedem Kind die Seelenkraft, auch Widrigkeiten zu ertragen und Probleme zu meistern. Deshalb müssen wir die Kinder auch nicht dauernd in Psycho-Watte einwickeln. Wir kommen in einer unenträtselbaren

Mischung aus Veranlagung und Prägung auf die Welt. Jeder von uns hat die Möglichkeit, anders mit Freud und Leid umzugehen, als es in der Herkunftsfamilie vorgegeben war.

\"Kinder sind eine Gabe Gottes\", sagt die Bibel. Diese Gabe bringt auch genau diese Aufgabe mit sich: Gottvertrauen üben. Oder anders gesagt: das Kind Gott anvertrauen. Das ist auch in einem anderen Sinn eine Auf-Gabe: ich gebe es auf, Schöpfer und Erhalter meines Kindes zu sein. Ich bin für vieles verantwortlich, aber nicht für alles. Jedes Kind hat Gott als himmlischen Vater oder Mutter. Das gilt nicht nur für kleine Kinder. Auch für Große ist Gott da.

Gottvertrauen ist nicht nur eine kleine Zutat zum Leben. Sie ist eine Grundhaltung, in der sich Wagemut und Gelassenheit immer neu vereinen.

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