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Organspende – Wenn der Tod dem Leben dient
Bildquelle: Pixabay

Organspende – Wenn der Tod dem Leben dient

Johannes Meier
Ein Beitrag von Johannes Meier, Evangelischer Pfarrer und Journalist, Kassel

Noch nie hat es in Deutschland so wenige Organspenden gegeben wie im letzten Jahr: Nur 797 Spenden hat die Deutsche Stiftung Organtransplantation jetzt in ihrer aktuellen Statistik vermeldet. Ein historischer Tiefstand. Mit dem neuen Niedrigstand von rund 9 Spendern pro einer Million Einwohner gehört Deutschland zu den europäischen Ländern mit dem geringsten Aufkommen an Organspenden. Nur Griechenland, Rumänien, Bulgarien und Albanien haben noch weniger Spender.
Viele Menschen machen um das Thema Organspende lieber einen großen Bogen. Das ging auch Pfarrer Johannes Meier aus Kassel nicht anders. Wieso sich das für ihn irgendwann geändert hat, erzählt er im aktuellen hr1 Zuspruch:

Bei meinem letzten Geburtstag ist mein guter Freund Karl nicht dabei gewesen. Das hat mich sehr gefreut. Karl musste ganz plötzlich ins Krankenhaus – und auf meiner Party haben die Sektkorken geknallt. Seine spontane Absage via SMS habe ich allen laut vorgelesen: „Kann leider nicht kommen. Bin auf dem Weg in die Klinik. Endlich ist die neue Leber da!“

Wir alle haben gewusst: Karl ist schwer krank. Seit Jahren quält ihn eine Autoimmunerkrankung, ein schwerer Leberschaden mit chronischer Entzündung. Die einzige Hoffnung für ihn: eine Organspende.
So eine Organspende aber auch zu bekommen, ist keine Selbstverständlichkeit. Selbst wenn sie überlebensnotwenig ist. Es gibt einfach viel zu wenige. Karl hat richtig Glück gehabt.
Jedes Jahr im Januar veröffentlicht die Deutsche Stiftung Organtransplantation ihre Zahlen – aber, ganz ehrlich, das hat mich nie besonders interessiert. Immer wieder liegt ein Blanko-Organspender-Ausweis als Beilage in der Post der Krankenversicherung. Ich habe ihn zuverlässig in der Altpapiertonne entsorgt. Und ich weiß auch wieso: Dieses ganze Organspende-Ding ist nicht gerade ein Wohlfühl-Thema. Wer denkt mitten im Leben schon gerne über den eigenen Tod nach?

Dann hat mir mein Freund Karl irgendwann davon erzählt, dass er auf dieser verdammten Warteliste steht und jetzt darum bangt, noch rechtzeitig zum Zuge zu kommen. Bevor es zu spät ist und seine entzündete Leber total versagt. Da wollte ich nicht länger kneifen. Ich habe mich mit dem Thema auseinandergesetzt. – und mir am Ende einen Organspenderausweis ins Portemonnaie gesteckt.
Das war eine ganz persönliche Entscheidung. Es gibt keine Pflicht zur Organspende, keine moralische und auch keine christliche. Da ist viel Raum zwischen dem Gebot der Nächstenliebe und der Gewissensfreiheit. Aber ich glaube, es tut gut, sich nicht vor diesem schwierigen Thema zu drücken. In der Bibel heißt es: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“.
Über den Tod denke ich trotzdem auch heute noch nicht gerne nach. Aber ich bin froh, dass diese eine Entscheidung für mich nun abgehakt ist. Und dass Karl zu meinem nächsten Geburtstag kommen kann: Wir haben beide Grund zum Feiern!

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