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Sitzenbleiben
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Sitzenbleiben

Carmen Jelinek
Ein Beitrag von Carmen Jelinek, Evangelische Dekanin, Kirchenkreis Kaufungen
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Lenny ist 13 Jahre alt und macht im Sommer die mittlere Reife. Ein pfiffiges Bürschchen. Er wurde früh eingeschult und dann hat er noch eine Schulklasse übersprungen. Wenn alles glatt geht, macht er mit 16 Jahren sein Abitur.

Letztes Jahr wäre er allerdings fast von der Schule geflogen, weil er so viel Unsinn macht. Er ist in einer französischen Schule. Dort ist Disziplin angesagt. Und alles muss zu 100 Prozent nach der Ordnung der Lehrer gehen. Es gibt nicht sehr viel Freiheit. Läuft etwas nicht fadengerade, werden die Eltern postwendend zur Schulleitung bestellt.

Lenny ist intelligent. Darin ist er seinen Mitschülern voraus. Aber im Umgang mit anderen muss er noch viel lernen. Er ist ziemlich ungeduldig und wird wütend, wenn ihm etwas nicht passt.   Ich wünsche ihm, dass er noch Zeit bekommt. Ich wünsche ihm, dass er sich innerlich entwickeln und reifen kann. Nicht, dass er in der Schule unbedingt eine Klasse wiederholen soll. Ich wünsche ihm Zeit dafür, seine Jugend auch auszukosten. Ich wünsche ihm, dass er nicht durch sein ganzes Leben durchrauscht wie durch die Schule und sich dann am Ende fragt: „Was hat denn diese Geschwindigkeit gebracht, wenn wertvolle Erfahrungen mit anderen, bei all dem Tempo auf der Strecke bleiben?“ 

Warum haben wir es heute alle so eilig? Warum sind wir so ungeduldig?

Ein Paradebeispiel dafür ist Abraham. Gott gibt ihm ein großes Versprechen: "Abraham, aus dir soll einmal ein großes Volk werden." Aber er und seine Frau bekommen einfach kein Kind, bis sie beide steinalt sind. Gottes Zeitplanung sah ganz anders aus. Abraham konnte nicht warten, wie viele Menschen heute. Er nahm Gottes Sache selbst in die Hand und eine Sklavin zur Zweitfrau. Das gab jede Menge Ärger.

Das ersehnte Kind bekommen Abraham und Sarah dagegen zu einer Zeit, als sie längst nicht mehr damit rechnen konnten. Gott macht sein Versprechen wahr – aber zu seiner Zeit.

Geduld, Warten können - das ist eine Frage des Vertrauens. Wer daran zweifelt, dass Gott seine Versprechen erfüllt und ihn auf seinem Lebensweg führen wird, gibt entweder auf oder hilft selbst nach. Man kann auch richtige Dinge zur falschen Zeit machen.

Gut, dass Gott uns so viel Lebenszeit schenkt, dass seine Pläne mit uns aufgehen. Das so zu sehen wünsche ich Lenny. Ich  sage es auch mir, wenn ich durch das Leben rase.

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