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Ein Blick in die Lebenskiste
GettyImages/Penelope Graßhoff

Ein Blick in die Lebenskiste

Ingo Schütz
Ein Beitrag von Ingo Schütz, Evangelischer Pfarrer, Oberursel-Bommersheim
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Das mit dem Beten ist so eine Sache. Alle wissen irgendwie, was das ist. Aber viele Menschen haben auch das Gefühl, nicht zu wissen, wie das geht. Hände falten, Kopf senken? Ja, so kann Beten sein, und es ist gut. Aber Beten ist auch anders.

Für mich ist manchmal Beten wie der Blick in eine große Kiste vom Dachboden, meine Lebenskiste, in der vieles drin ist, was mich ausmacht. Ich hole sie nur selten hervor. Davon zeugt der Staub, den ich erstmal wegpusten muss. Aber ab und zu spüre ich eine Sehnsucht danach, hineinzugucken. Und wenn ich sie dann öffne, staune ich über ihren Inhalt.

Erinnerungen an Lebensleistungen und Verlorengegangenes

Die Laufschuhe vom Marathon vor vielen Jahren. Sie erinnern mich daran, dass ich mal was Großes geschafft habe. Auch daran, dass ich schon länger keinen Sport mehr mache. Die Briefe von alten Freunden, mit denen ich keinen Kontakt mehr habe. Sie fordern mich heraus, wieder mal anzurufen und zu fragen, wie es ihnen geht.

Erinnerung auch an Vergebung

Die Bilder meiner Familie, die wir im Urlaub oder an besonderen Feiertagen gemacht haben. Sie verlocken mich zum Dank dafür, manchmal auch zu einem „Gott sei Dank!“, dass es allen gut geht und dass wir uns haben. Ich habe auch eine Scherbe einer alten, versilberten Teekanne aufgehoben. Sie stammt von meinem Opa und ich hatte sie aus Unachtsamkeit zerbrochen. Heute erinnert sie mich an das, was kaputtgegangen ist. Manchmal auch durch meine Schuld. Sie erinnert mich aber auch an Vergebung. Die ich auch erlebt habe.

Ein Blick in die Lebenskiste ist wie ein Gebet

Diese Dinge anzuschauen tut mir gut. Meine Lebenskiste. Und schon bin ich mitten drin im Gebet. Denn ganz tief in Innern spüre ich, hier geht’s nicht nur ums Anschauen und Nachdenken über mein Leben. Da ist einer, der mich beim Nachdenken begleitet. Ob das einen Unterschied macht? Es fühlt sich so an. Und ganz sicher hat Gott schon dadurch etwas bewegt, dass er diese Sehnsucht in mir geweckt hat. Ein Blick in die Lebenskiste ist wie ein Gebet. Was da alles drin ist: Zum Nachdenken. Zum Staunen. Zum Danken.

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