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Nikolaus´ Helfer
epd Bild/Jörn Neumann

Nikolaus´ Helfer

Rüdiger Kohl
Ein Beitrag von Rüdiger Kohl, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt-Bockenheim
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Heute ist Nikolaustag. Gestern Abend haben wir unsere Stiefel geputzt und vor unsere Wohnungstür gestellt. Gleich wird unser sechsjähriger Sohn aufwachen und aufgeregt sein. Ich werde ihm sagen: Lass uns mal nachsehen. Bestimmt war der Nikolaus heute Nacht da. Und dann werden wir die Tür öffnen und die Stiefel werden mit Schokolade und einem kleinen Geschenk gefüllt sein. 

Der Nachbar wohnt nicht mehr nebenan

Ich weiß aber auch: Diesmal wird etwas weniger Schokolade vor der Tür stehen als in den vergangenen Jahren. Denn einer, der dem Nikolaus geholfen hat, wohnt nicht mehr im Haus. Unser Nachbar ist vor vier Wochen gestorben. 81 Jahre alt ist er geworden. Jedes Jahr am Nikolaustag hat er jedem Kind in unserem Mietshaus einen Schoko-Nikolaus vor die Tür gelegt. 

Frühe Begegnung im Treppenhaus

Ich weiß das, weil wir uns mal am frühen Nikolausmorgen im Treppenhaus begegnet sind. Ich ging zur Arbeit. Er ging von Haustür zu Haustür. Es war, als hätte ich den Heiligen Nikolaus höchstselbst bei seiner Arbeit ertappt. Unser Nachbar lächelte mich verschmitzt an. Er wusste, wo die Kinder wohnten. Er hatte einen Blick für andere. 

Der Bischof von Myra

Den Blick für die Menschen um ihn herum besaß auch der Nikolaus, der dem Tag heute den Namen gab. Nikolaus war im 4. Jahrhundert der Bischof von Myra. Er hat oft gesehen, wo Menschen in Not waren und dringend Hilfe brauchten. Die Legenden aus seinem Leben erzählen davon. Er hat einmal eine ganze Stadt vor dem Hungertod gerettet. Ein anderes Mal hat er drei Mädchen davor bewahrt, sich an Männer zu verkaufen, weil ihr Vater sie nicht ernähren konnte. Da hat er ihnen drei Goldklumpen durchs Fenster in ihr Zimmer geworfen. Sie waren gerettet. 

Seefahrer, Kaufleute, Bäckerinnen

Wie es mit Heiligenlegenden so ist: Manche klingen realistisch. Andere haben märchenhafte Züge. Aber immer hat Nikolaus es geschafft, die Menschen zu sehen. Von vielen Berufsgruppen wurde er deshalb als Schutzheiliger gewählt. Von Seefahrern, Kaufleuten, Rechtsanwältinnen, Apothekerinnen, Metzgerinnen oder Bäckern.

Kinder aus ärmeren Familien sollen auf Freizeiten fahren können

Sehen, was andere brauchen: Das war auch unserem Nachbarn wichtig. Davon hat der Pfarrer auf seiner Beerdigung erzählt. Er kannte ihn gut. Denn der Nachbar war in seiner Kirchengemeinde sehr aktiv. Zusammen mit anderen hat er sich für benachteiligte Familien in seinem Stadtteil eingesetzt. Ihm war wichtig, dass auch Kinder aus ärmeren Familien an Freizeiten teilnehmen konnten. Dann hat er die Abrechnung gemacht. Den Papierkram erledigt. Das hat er gerne gemacht. Genauso wie er gerne mit Menschen zusammen war. Vielleicht waren auch deshalb so viele Menschen auf seiner Beerdigung. Ich glaube, allen hat gutgetan, von einem Menschen zu hören, der nicht nur sich selbst im Blick hatte. 

Heimlich war der Nikolaus da

Wenn wir gleich die Tür aufmachen, wird unser Sohn rufen: Der Nikolaus war da! Und ich werde an unseren Nachbarn denken. Er hat mir gezeigt: Der Nikolaus braucht Menschen, die ihm helfen. Nicht nur am 6. Dezember.
 

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