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Kreuzwege
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Kreuzwege

Dr. Marco Bonacker
Ein Beitrag von Dr. Marco Bonacker, Katholischer Leiter der Abteilung Bildung und Kultur im Bischöflichen Generalvikariat Fulda
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"Hast du schon die Nachricht auf deinem Handy gesehen?", fragte meine Frau als ich vor einigen Wochen von der Arbeit nach Hause kam. "Welche Nachricht?" "Na die Einladung zum Kreuzweg mit den Kindern." Tatsächlich, ich hatte sie an einem stressigen Tag an der Arbeit flüchtig betrachtet, aber erst durch die Rückfrage meiner Frau wieder präsent worum es ging: Ihre Patentante hatte den Vorschlag gemacht, dass wir uns als Großfamilie jeden Freitag am Fuldaer Frauenberg treffen, oben vor der Klosterkirche und dort mit unseren Kindern den Kreuzweg gehen. Mit einfachen, kindgerechten Texten, mit kurzen, aber einprägsamen Botschaften an jeder Station. Eine gute Idee dachte ich, und ich war nicht der Einzige. Mit 10 - 20 Personen wurde die Idee jeden Freitag in die Tat umgesetzt. Schon in den letzten zwei Pandemiejahren war ich mit meiner Frau und unserer Tochter an Karfreitag den Kreuzweg alleine gegangen, konzentriert, ruhig und mit selbst ausgewählten Texten. In der größeren Gruppe war es wieder vertrauter, fast wie früher, dachte ich.  

Der Kreuzweg war mir seit meiner Zeit als Messdiener natürlich gut bekannt. Ich erinnere mich, wie als Elfjähriger ungeduldig die Stationen bis zum Ende gezählt habe und die 14. heiß ersehnte. Aber auch wie ich immer wieder über einzelne Charaktere gestolpert bin, deren Geschichte und Gedanken man sich schon als Kind ausmalen konnte. Simon von Cyrene etwa: er war da so reingeraten, er hatte wohl nicht wirklich vor Jesus zu helfen. Er wurde von den römischen Soldaten gezwungen, das Kreuz Christi zu tragen, als er gerade vom Feld kam. Dass er bei Mt so genau erwähnt wird, als Vater des Alexander und des Rufus, verweist darauf, dass aus der Zufallsbegegnung eine Fügung fürs Leben wurde. Ihm werden die Augen aufgegangen sein, wem er da helfen durfte, und sicher ist er zum Glauben an den gekommen, dem er auf dem Kreuzweg geholfen hat.

Die andere Figur, die sich tief in den Volksglauben eingegraben hat und mir auch durch die Darstellung in der Kirche meiner Kindheit besonders in Erinnerung geblieben ist, ist Veronika mit dem Schweißtuch. Aber auch die Soldaten, die um das Gewand Jesu würfeln. Die Szenen waren in grober Glaskunst der 60er Jahre recht eindrücklich umgesetzt und regten die Fantasie zusätzlich an. 

Nicht alle Szenen der 14 Stationen sind biblisch bezeugt. Das tut ihrer Lebendigkeit und ihrer Tiefe keinen Abbruch. Der große Theologe des 20. Jahrhunderts, Romano Guardini, beginnt sein Buch zum Kreuzweg so: "Dies Büchlein ist der schönsten und ältesten aller Volksandachten gewidmet. Recht aus dem Herzen des Volkes ist sie entstanden. Aus seinem Drang, sich die heiligen Geheimnisse der Erlösung leibhaftig vor Augen zu stellen, sagen zu können: So ist es gewesen, und hier ist das geschehen und dort jenes. Aus dem Drang des Herzens, mit dabei zu sein." Gewiss sind schon die Christen der Urgemeinde in Jerusalem in andächtiger Erinnerung den Weg wieder gegangen, den Jesus damals hatte gehen müssen. Da ist vor ihrem inneren Auge lebendig neu entstanden, was sich auf diesem Wege, an jeder Straßenkreuzung zugetragen hatte, was ihnen in jenen angstvollen Stunden durchs Herz gegangen war und nachher im Licht des Ostermorgens und in der Geistfülle des Pfingsttages seine unendliche Bedeutung offenbart hatte. Ja, wir dürfen den Kreuzweg, den Weg des Leidens auch heute im Bewusstsein gehen, dass das Leiden nicht umsonst war, sondern Heil und ewiges Leben bewirkt hat. Aber zugleich, dass das Leiden dazu gehört, nicht ausgeblendet wird, dass nicht immer nur Ostern ist, sondern auch ein Weg davor dazugehört. Der Kreuzweg macht die Leidensgeschichte Jesu fassbar und die Erfahrung der letzten Wochen haben mir wieder neu gezeigt, dass auch Kinder bereits in das Geheimnis des Leidens und der Auferstehung Jesu gut und behutsam hineinfinden können. Ein Geheimnis, das es wert ist, dass man ihm sein ganzes Leben nachgeht. 

 

 

 

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