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Talente – Geschenke Gottes
Bild: pixabay

Talente – Geschenke Gottes

Simone Twents
Ein Beitrag von Simone Twents, Katholische Dezernetin für Glaubenskommunikation und Pastorale Innovation, Fulda
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Ich habe die Frau gar nicht gesehen. Auf dem Weg zum lockenden Sonnenurlaub auf Kreta bin ich im Frankfurter Flughafen am Gate vor allem darauf konzentriert, schnell den Shuttle-Bus zu kommen, bald im Flieger zu sein und möglichst bald loszukommen. Aber meine Freundin Sabine sieht sie sofort: die Frau, die zwischen Abfluggate und Bus in einer Ecke stehen geblieben ist und lautlos vor sich hin weint. Sabine stellt gleich alles auf stopp und nähert sich auf empathische Weise dieser Frau. Daraus wird ein intensives Gespräch.

Zu spät

Die Frau ist Griechin, die in Deutschland in der Altenpflege arbeitet, auf dem Weg nach Hause zu ihrem sterbenden Vater. Und just am Abfluggate bekommt sie die Nachricht auf ihr Handy, das ihr Vater nun doch schon verstorben ist. Und sie wollte ihn doch so gerne noch einmal sehen. Jetzt steht sie da auf halbem Weg und kann nur noch weinen um diese verpasste Gelegenheit.

Eine besondere Gabe

Sabine hört der Frau zu, stellt sich ganz auf sie ein. Sie hält die Tränen aus. Sie sagt ihr, dass sie nichts falsch gemacht hat, dass Sterbende oft ihre Angehörigen nicht belasten wollen, genau dann sterben, wenn die Angehörigen nicht im Raum sind. Und dass es der Frau bestimmt guttut, jetzt trotzdem ihren verstorbenen Vater noch einmal zu sehen. Sabine bestärkt sie darin, dass von ihr so viel Liebe ausgeht und ihr Vater das sicher gespürt hat, auch über die Entfernung hinweg. Sie fragt die Frau, ob sie sie in den Arm nehmen darf. Die Frau ist so dankbar für diese Umarmung. Sie sagt: "Da kommt von Ihnen so viel rüber von Herz zu Herz." Ich bin Zeugin dieser Begegnung. Ich hätte diese Not selbst gar nicht wahrgenommen und wahrscheinlich auch nicht so toll darauf reagieren können wie meine Freundin Sabine. Sie hat ein ausgesprochenes Talent, eine Gabe von Empathie und Mitgefühl, einen speziellen Blick für Not. Diese Frau wird diese Begegnung wohl nie in ihrem Leben vergessen.

Engel

Dieser Moment, in dem man die Todesnachricht des eigenen Vaters bekommt, in einer Situation, in der man sich verloren fühlt und alleine mit diesem Schmerz – und dann kommt eine wildfremde Frau wie ein Engel dahergeflogen und nimmt sich der Not an und fühlt mit und spendet Trost. Das vergisst man nie! Ich habe mich so über die Gaben meiner Freundin gefreut! Sie hat mich so dankbar gemacht dafür, wie Gott jeden Menschen verschieden ausgerüstet hat mit so vielen Gaben und Möglichkeiten, andere zu segnen und aufzubauen.

Auch heute ist ein schöner Tag dafür: Ich kann ein Segen für andere sein. Mit was auch immer mir geschenkt ist, das ich einbringen kann. Ich kann meinen Blick üben und trainieren, Menschen wahrzunehmen und zu handeln. Auch heute.

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