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Von Häusern und von Menschen
Pixabay/Paul Sprengers

Von Häusern und von Menschen

Johanna Fröhlich
Ein Beitrag von Johanna Fröhlich, Evangelische Pfarrerin, Gießen
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Häuser und Lebensgeschichten haben einiges gemeinsam. Das denke ich zurzeit immer wieder, weil ich als Pfarrerin zusammen mit meiner Gemeinde das alte Pfarrhaus renoviere.

Ein Haus mit ausgetretenen Stufen und durchhängenden Holzdecken

Ein Fachwerkhaus, 1861 gebaut. Manche Balken und Steine sind sogar noch älter. Sehr charmant. Aber meistens ist das Jahrhunderte alte Holz krumm und schief. Die Treppenstufen sind ausgetreten von den vielen Schritten, die hier schon rauf- und runtergelaufen wurden. Die alten Parkettböden sind uneben, die Holzbalkendecken hängen durch.

"Die gerade Linie ist gottlos."

Der Architekt Friedensreich Hundertwasser hat einmal gesagt: „Die gerade Linie ist gottlos.“ Ein steiler Satz. Aber in diesem alten Pfarrhaus stimmt er, finde ich und finden alle, die das Haus renovieren. Hier gibt es keine gerade Linie. Und genau deshalb hat dieses Haus Charakter.

Alte Häuser und Lebenslinien haben einiges gemeinsam

Häuser und Lebensgeschichten haben einiges gemeinsam. Ich kenne bislang keine Lebenslinie, die immer nur geradeaus geht. Die meisten verlaufen gewunden oder sogar schräg. Es gibt Durchhänger wie bei den Decken in unserem alten Pfarrhaus und ausgetretene Stufen.

Gott kann auch mit krummen Lebenslinien etwas anfangen

Auch in meinem Leben ist nicht alles gerade. Manchmal macht es mir zu schaffen, dass nicht alles glatt gelaufen ist. Aber wenn ich mich jetzt bei der Renovierung des alten Pfarrhauses über krumme Dielen und alte Stufen freue, dann erinnert mich das an den Satz von Hundertwasser: Die gerade Linie ist gottlos. Oder anders gesagt: Gott kann auch mit meinen krummen Lebenslinien etwas anfangen. Und ich werde ihre Schönheit und ihren Sinn irgendwann für mich entdecken.

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