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1. Advent: "Lichte Momente"
Bild: Gabriele_M_Reinhardt_pixabay

1. Advent: "Lichte Momente"

Stefan Herok
Ein Beitrag von Stefan Herok, katholischer Pastoralreferent i.R. in der Pfarrei St. Bonifatius, Wiesbaden
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Guten Morgen und einen schönen Sonntag!

Nun ist also wieder Advent. Und Fußballweltmeisterschaft! So absurd wie die beiden Begriffe zusammen klingen, so fühle ich mich zurzeit auch selbst irgendwie. Und das liegt nicht nur an diesem komischen WinterWüstenFußball und den Menschenrechtsvorwürfen gegen das Austragungsland Katar…

Jetzt, Ende November sind wir schon wieder eine Weile unterwegs in der „dunkleren Jahreszeit“. Für nicht wenige Menschen ist das nicht nur ein äußerlich lichtarmer Zustand, sondern auch eine innere, seelische Finsternis: Winterdepression…

Andere sehen zurzeit wirtschaftspolitisch „tiefschwarz“, bangen um ihre Existenz und befürchten den energiemäßigen „Blackout“. Und auch über der gesamtgesellschaftlichen Stimmungslage, besonders in Sachen Diskussions- und Streitkultur, scheint ein ausgeprägtes „Stimmungstief“ zu liegen: immer rauere Umgangstöne bis zum offenen Hass. Während man Signale für ein positives „Wir-Gefühl“ bestenfalls im engeren Familien- und Freundeskreis findet…

Da gibt es also vielfachen Bedarf und große Sehnsucht nach „lichten Momenten“.

Nur eine Kerze…

Ich weiß nicht, wie Ihre Stimmung ist und welche Rituale für Sie gerade schön und angebracht sind?

Aber die erste Kerze heute am noch frisch nach Tanne duftenden Adventskranz, die hat für mich etwas Gemüt und Glieder Erwärmendes im energiesparsam heruntergekühlten, dämmrigen Wohnzimmer. Ein echter LichtBlick!

Nur eine Kerze. Aber ihr Licht, verbunden mit der BibelBotschaft vom ersten Advent, das kann eine Kraft entfalten, mit der wir all den aufgezählten Dunkelheiten, den seelisch-moralischen Blackouts und gesellschaftlichen Stimmungstiefs entgegenwirken könnten. Wenn wir es denn wollten.

Weltweit verbindet meine katholische Kirche mit dem ersten Advent heute mehrere biblische Erzählmotive. Zwei davon möchte ich ihnen vorstellen. Eines ist sehr berühmt und immer wieder zum Leitwort für Friedensbewegungen geworden. Das andere – weniger bekannt – wählt eine zunächst militärisch, kämpferisch anmutende Sprache, um seine „LichtBotschaft“ vorzubringen.

Beides sind für mich starke Texte, die – wie ich finde – ganz aktuell zu konkretem Handeln anregen. Sie stehen damit für eine Art von Frömmigkeit und Religiosität, wie ich sie besonders mag: weltzugewandt und sozial motivierend. Genau das macht für mich den Wert von Religion aus, wenn sie wirklich Mittel anbietet, mit denen wir die Welt verbessern, heller machen können. Wenn wir es denn wollen!

Himmlisches Gespür…

Der erste Text zum heutigen Adventsbeginn stammt vom Propheten Jesaja. Propheten waren und sind Leute mit ganz besonders himmlischem Gespür für das, was gerade nötig ist auf der Erde. So werden sie zur kritisch-mahnenden Stimme, zum Wegweiser, zur Orientierungshilfe. Ihre Botschaften sind allerdings für viele Leute eher unbequem, rütteln wach, fordern Umkehr und rufen darum meist Widerstände hervor. ProphetInnen leben und handeln zwar in ganz konkreter historischer Situation, aber ihr Wort behält oft Gültigkeit über alle Orte und Zeiten hinweg. Der historische Jesaja wirkte im 8. Jahrhundert vor Christus und sagte den damals Herrschenden den Untergang an. Er weissagte dem Volk Israel aber auch eine endzeitliche Wende zu Frieden und Gerechtigkeit. Er war damit der erste, der dem jüdischen Volk das Kommen des Messias ankündigte. Weil sich für Christgläubige diese Messiasverheißung an Weihnachten, also in Jesus erfüllt hat, darum werden im Advent oft Texte von Jesaja gelesen. Sie werden dabei als Ankündigungen auf Jesus interpretiert.

Die Sprache klingt vielleicht ein bisschen antiquiert, aber der Inhalt hat es in sich. Hören Sie mal:

Schwerter zu Pflugscharen…

„Gott unterweise uns in seinen Wegen, auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn vom Himmel geht Weisung aus und göttliches Wort. Er wird Recht schaffen zwischen den Nationen und viele Völker zurechtweisen. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht weiter das Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg. Auf, ihr MenschenGeschwister, wir wollen unseren Weg gehen im Licht Gottes.“

(nach Jesaja 1, 3b-5. Ich habe den Text nur insofern „christianisierend“ verändert, dass ich den Gottesnamen ausspreche, für den die jüdische Tradition sonst nur „der Herr“ sagt, und die eng auf die Geschichte des Volkes Israel bezogenen Begriffe „Zion“ und „Haus Jakob“ verallgemeinere…)

Das mit „Schwerter zu Pflugscharen“ werden Sie kennen. Erst recht, wenn Sie mal „friedensbewegt“ waren oder es immer noch sind. Für mich ist es ein starkes Wort. Vor allem, wie es Religion und Politik zusammenbringt: Der Stimme Gottes folgen, seiner Weisung zu Humanität und Menschenliebe. Das finde ich heute wichtiger denn je! Seine Botschaft der Gewaltlosigkeit annehmen und die Ächtung jeder Art von Krieg. Daraus unsere Strategien formen, im privaten wie im öffentlichen Leben: Friedfertigkeit!

Ich sehe zu viele Situationen, in denen Menschen höchst gewaltbereit ihrem Egoismus folgen; völlig blind nur ihren eigenen Interessen, ohne Rücksicht auf Verluste, auch als Länder und Völker. Putins Russland gerade zum Beispiel oder die frauenfeindlichen Machthaber im Iran. Je weiter weg wir uns von diesen Friedenswegen entfernen, umso mehr wird aus der Weisung Gottes, aus seinen Hinweisen und Wegweisungen auch Zurechtweisung: „Du, Mensch, sollst nicht mehr den Krieg erlernen, nicht das Schwert erheben, Nation gegen Nation! Das führt nur in die Finsternis“. Dagegen die AdventsKerzenBotschaft: „Auf, ihr Menschengeschwister, wir wollen unseren Weg gehen im Licht Gottes!“ Was für ein „erhellender“ Text. Und wer hätte gedacht, dass der Advent so politisch sein will…

„Waffen des Lichts“…

Der andere Text – mit der militärischen Anmutung - stammt vom Apostel Paulus aus seinem Brief an die Römer:

„Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf. Denn es kommt unser Heil. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe. Darum lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts! Lasst uns ehrenhaft leben wie am Tag, ohne maßloses Essen und Trinken, ohne Unzucht und Ausschweifung, ohne Streit und Eifersucht! Vielmehr zieht Jesus Christus an.“ (Römerbrief 13,11-14a)

Ein LichtText ganz anderer Art, aber nicht weniger lebenspraktisch. Tag und Nacht werden metaphorisch gedeutet. Die Nacht ist hier Symbol für ein „finsteres“, moralisch verwerfliches Leben voller Maßlosigkeit, Ausschweifung, Streit und Eifersucht. Dem entgegen formuliert der Text einen Weckruf, wie er später Tradition geworden ist im berühmten Adventslied: „Wachet auf, ruft uns die Stimme!“. Lasst uns die Werke der Finsternis ablegen und anlegen die „Waffen des Lichts“! Ich finde die Formulierung so geheimnisvoll wie schön: „Waffen des Lichts!“

Offener Blick, offene Hände, klärendes Wort…

Was könnte damit gemeint sein? Alles, womit wir die SeelenDunkelheit und HerzensFinsternis von Hass, Gewalt und Unfrieden überwinden und vertreiben. Das ist schon ein Kampf, manchmal ein schwerer. Die „Waffen des Lichts“ sind deswegen so friedenserfolgreich, weil sie „entwaffnend“ sind: Ein offener, warmer Blick. Ein klares, klärendes Wort, als Ja oder Nein. Offene Hände, statt geballter Fäuste. Beharrliche Gesten der Hilfe, zarte der Vergebungsbereitschaft. Lauter „lichte Momente“ in der Kraft der ersten Kerze. Das alles ist Advent. Wenn wir es denn wollen…

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