Dem Zufall auf der Spur
Wenn ich finde, was ich suche: Was für ein Glück! Und was ist, wenn ich etwas finde, das ich gar nicht gesucht habe? Etwas, das ich aber gesucht hätte, wenn ich gewusst hätte, dass ich es finden kann? Dann ist dabei entweder ein guter Algorithmus im Spiel oder etwas ganz Anderes. Manche nennen es Zufall, andere nennen es Fügung. Unser Leben heute hat nicht so viel Platz für Zufälle. Wenn es ans Einkaufen geht, helfen mir viele Internet-Plattformen, die für mich die Suche übernehmen. Meine Musik, meine Bücher, meine Kleidung – stilsicher beraten mich die klugen Verknüpfungen des Online-Handels. Je mehr berechnet und geplant wird, desto enger wird der Platz für Zufälle. Aber genau die erforscht man mittlerweile mit ziemlichem Eifer. Denn Kultur und Wissenschaft wären ganz schön arm ohne die berühmten Zufälle: Immer wieder gab es solche zufälligen Entdeckungen. Die Teflon-Pfanne ist das wohl bekannteste Beispiel der jüngeren Vergangenheit, gleich gefolgt von Post-it-Zetteln und schließlich auch dem Medikament Viagra, das übrigens heute vor zwanzig Jahren in Deutschland auf den Markt kam. Den Zufall erforschen, die zufälligen Entdeckungen wissenschaftlich erkunden: Geht das überhaupt? Was muss gegeben sein, damit Menschen zu Zufalls-Entdeckern werden können? Zum ersten: Eine wache Aufmerksamkeit für das Beiläufige, Nebensächliche, für das, was am Rand liegt. Als Zweites: die Offenheit, jedem Augenblick eine Chance zu geben. Das Dritte kann man Muße nennen: eine ungeplante und nicht durch das zweckgerichtete Tun gefüllte Zeit. Wenn ich mein Leben anschaue, dann fallen mir in diesem Zusammenhang vor allem Menschen ein, die mir wichtig und lieb geworden sind. Keinen von ihnen habe ich gesucht; alle sind mir mehr oder weniger zufällig begegnet oder wie man sagt, über den Weg gelaufen, am ehesten dann, wenn ich aufmerksam und offen war dafür, dass in jedem Augenblick etwas Bedeutsames geschehen kann. Und dann komme ich wieder ins Nachdenken: Alles Zufall? Wenn er gut ist, wenn er mich bereichert und wenn er mein Leben gut macht – dann habe ich auch nichts dagegen, diesen Zufall als gute Fügung Gottes zu verstehen, die mich finden lässt, was ich nie suchen könnte.