Gott mehr gehorchen als den Menschen – Zum Prozessbeginn gegen Martin Niemöller vor 80 Jahren
Wem gehorche ich? Meinem Gewissen, meinem persönlichen Vorteil, meinen Idealen? Wenn ich das frage, denke ich auch immer auch Pfarrer Martin Niemöller, der unter den Nazis sieben Jahre gefangen war. Der Gefängnispfarrer hat ihn gefragt: „Mein Bruder, warum bist Du im Gefängnis?“ Martin Niemöller denkt an die vielen Pfarrkollegen, die, wie er, von den Nazis verhaftet worden waren und antwortet verärgert: „Mein Bruder, warum bist du nicht im Gefängnis?
In der Nazizeit im Gefängnis zu sein, schien Niemöller offenbar angemessen für einen Pfarrer, der weiß, wem er Gehorsam schuldig ist. Als U-Boot Kommandant im ersten Weltkrieg war er dem Kaiser Gehorsam schuldig.
Er hatte selbst Hitler gewählt, aber als die Nazis Christen jüdischer Herkunft aus der Kirche vertreiben wollten, hat er sich aufgelehnt und den Pfarrernotbund gegründet. Er hat Hitler persönlich widersprochen, weil der wollte, dass sich die Kirchen nur um sich selbst kümmern sollten, nicht aber um alle Menschen. Er erhält Redeverbot, gehorcht aber nicht und predigt weiter.
Niemöller hat nach einem Grundsatz gehandelt, den lange vor ihm ein anderer Gefangener vor Gericht ausgesprochen hatte: Petrus, der erste Jünger Jesu: „Man muss Gott mehr gehorchen, als den Menschen“ (Apg 5,29).
Niemöller hat man zu sieben Monaten Festungshaft und einer Geldstrafe verurteilt. Aber die Gestapo hat ihn dann heimlich für sieben Jahre ins KZ verschleppt, als „persönlichen Gefangenen Hitlers“. Als die Amerikaner ihn 1945 befreit haben, ist er seinen Weg weitergegangen, dem Gott der Liebe und der Gerechtigkeit mehr zu gehorchen als den Menschen: Gegen die Wiederbewaffnung, für das Miteinander der Kirchen. Er wurde Kirchenpräsident, friedensbewegter Ostermarschierer, Atomkraftgegner und radikaler Pazifist. Unbequem, nervig, anstrengend und konsequent ist er immer geblieben. Vermutlich hätte er heute den Atomausstieg begrüßt, würde die Freilassung Deniz Yücels fordern und mehr Engagement für Flüchtlinge in Deutschland. Wem gehorche ich als Christ? Meinem Gewissen, meinem persönlichen Vorteil, meinen Idealen? Was bin ich bereit dafür zu riskieren? Man muss Gott mehr gehorchen, als den Menschen, ich finde, die Aufgabe bleibt aktuell.