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Küssen verboten?
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Küssen verboten?

Johannes Meier
Ein Beitrag von Johannes Meier, Evangelischer Pfarrer und Journalist, Kassel

Diese Karikatur lässt mich schmunzeln. Eine Frau und ein Mann begrüßen sich mit Küsschen: „Ciao!“ – „Ciao!“ – Aus dem Hintergrund beobachtet sie ein anderes Paar: „Noch nie was von Händeschütteln gehört?!“ empört sich der Mann – und seine Begleiterin bekräftigt: „Anzeigen sollte man das!“

Die Karikatur ist ein bissiger Kommentar zur Debatte über eine Leitkultur für Deutschland. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat zehn Thesen dazu aufgestellt. Eine lautet: „Wir legen Wert auf soziale Gewohnheiten (…): Wir sagen unseren Namen. Wir geben uns zur Begrüßung die Hand.“ – Also: Küssen verboten? Natürlich nicht. Aber wenn etwa muslimische Frauen Männern den Handschlag verwehren und umgekehrt, dann passt das nicht hierher, findet er wohl.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zuletzt gesagt: „Freiheitsrechte schützen auch die Freiheit, anders zu sein“. Damit hat sie sich gegen ein generelles Burka-Verbot ausgesprochen. Es gäbe bei uns eben auch, so wörtlich, die „Freiheit, anders zu sein, als es sich die Mehrheit wünscht oder vorstellt“. Unser Grundgesetz garantiert diese Freiheit. Und das Grundgesetz zeigt zugleich die Grenzen der Freiheit auf. Für mich genügt das, ich brauche keine vermeintliche „Leitkultur“.

Schon immer haben diejenigen für gesellschaftlichen Fortschritt gesorgt, die nicht einfach das taten, was gerade so üblich war. Bürgerrechtler wie Martin Luther King folgten keiner Leitkultur, sie beschritten neue Wege: Keine Rassendiskriminierung mehr. Andere forderten gleiche Rechte für Männer und Frauen, für Schwule und Lesben, gegen die Mehrheit.

Der Innenminister schreibt: „Unser Land ist christlich geprägt“. Doch derjenige, der die Christen prägt, passt nicht gut in die Leitkultur-Debatte: Denn auch was Jesus tat, entsprach ganz und gar nicht dem Üblichen. Damals durfte man sich am Feiertag Sabbat nicht um kranke Menschen kümmern. Er tat das aber. Wenn Jesus sich mit den gesellschaftlich Geächteten an einen Tisch setzte oder wenn er seinen Schülern die Füße wusch, dann folgten seine Taten nur einer revolutionären Idee: „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“. Davon will ich mich leiten lassen.

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