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Anständig leben - zum Tod von Helmut Schmidt
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Anständig leben - zum Tod von Helmut Schmidt

Dr. Ursula Schoen
Ein Beitrag von Dr. Ursula Schoen, Prodekanin, Evangelisches Stadtdekanat Frankfurt

Der Nachruf, den er sich für sich selbst gewünscht hat, war nicht gerade überschwänglich: „Er hat seine Sache anständig gemacht“. Helmut Schmidt soll einmal erklärt haben: Wenn man den Satz über ihn sagen würde, dann wäre er dankbar. „Seine Sache anständig machen“, das klingt ziemlich nüchtern-distanziert. Aber so war dieser Mensch und Politiker aus dem Norden ja auch. Nicht überschwänglich, eher zurückhaltend. Und trotzdem eben: klar und entschieden in dem, was er gedacht und gesagt hat. Anständig eben.

Als Hessin war mir die nüchterne nordische Art von Helmut Schmidt manchmal etwas fremd. Und Worte wie Anstand, Sache und Pflicht, die benutze ich, ehrlich gesagt, selbst nicht unbedingt, wenn ich erklären soll, was mir im Leben wichtig ist. Aber: Zu diesem Helmut Schmidt haben sie eben einfach gepasst, und ich habe ihn genau dafür oft bewundert: für seinen Anstand und sein Pflichtbewusstsein. Mich hat immer wieder beeindruckt, wie er in Diskussionen gradlinig und klug seine Überzeugung kundgetan hat. Bis ins hohe Alter hinein. Er blieb bei dem, was er moralisch für richtig hielt, er hat es vertreten, und es war ihm nicht wichtig, ob er dafür geliebt wurde. Wurde er auch nicht immer. Aber geachtet haben ihn, denke ich, alle.

Anständig leben, mit Rückgrat seine Überzeugung vertreten: Das bekommen ja gar nicht so viele Menschen hin. Es ist ja in der Politik und in vielen Bereichen des Lebens oft einfacher, sich den Meinungen und Emotionen der Leute anzupassen. Geschmeidig das zu übernehmen, was gerade so „in“ ist und was andere hören wollen. Oder auch: was mir selbst am meisten nützt. Und mancher verliert dadurch den Blick für das, was moralisch geboten ist. Mancher macht seine Sache dann mehr unanständig als anständig. Helmut Schmidt war da anders. Und vielleicht schwingt in den Nachrufen auf ihn auch deswegen viel Wehmut mit, weil man hofft: Es mögen noch mehr Menschen so anständig leben wie er.

Die Bibel sagt einmal über Menschen, die Verantwortung übernehmen wollen: Sie sollen nüchtern, besonnen und anständig sein (1 Timotheus 3,2). Diese Kriterien, sie hätten Helmut Schmidt bestimmt gefallen. Er war das wirklich: ein anständiger Mensch.

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