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Man muss etwas tun, um glücklich zu sein
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Man muss etwas tun, um glücklich zu sein

Dr. Ulf Häbel
Ein Beitrag von Dr. Ulf Häbel, Evangelischer Pfarrer, Laubach-Freienseen

Den Bauernhof, auf dem ich lebe, besuchen oft Kinder aus dem Dorf. Die Kindergartenkinder füttern und streicheln die Häschen. Die Kinder aus unserer Dorfschule schauen sich die Tiere an, die wir auf unserem Hof halten: Ziegen und Schafe, Schweine und Hühner, Katzen und Tauben. Inzwischen sind wir die einzigen, die mitten im Dorf Tiere halten und eine bescheidene Landwirtschaft betreiben.

Vor ein paar Tagen hatten wir wieder Besuch. Da hat ein Junge einen großen Berg Kartoffeln auf der Tenne entdeckt und gefragt: „Wozu braucht ihr so viele Kartoffeln?“ Meine Frau erklärte ihm dann, dass es Futterkartoffeln sind. Davon kochen wir jeden Tag ein paar Körbe voll und verfüttern sie an die Schweine. Da war er verwundert: „So schöne Kartoffeln für die Schweine?“. Dann fragte er, ob man die als Mensch auch essen könnte. \"Na klar!\", haben wir gesagt. Es sind ja gute Kartoffeln, die im Laden nurnicht verkauft werden, weil sie zu groß sind oder zu klein oder auch angeschnitten oder verletzt. Wir haben sie von einem Großhändler als Futterkartoffeln gekauft.

Jedes Kind wollte eine Kartoffel oder auch mehrere mitnehmen. Einer der Jungen nahm keine mit. Ich hab gefragt: „Willst du nicht auch eine haben?“ Er sagte: \"Nein, wir brauchen keine Kartoffeln; wir essen Pommes\". Der wurde schnell von den anderen belehrt, dass Pommes frites eigentlich aus Kartoffeln hergestellt werden. Das wusste er nicht. Er wusste aber genau wo im Supermarkt die Pommes liegen.

Ich habe den Kindern gesagt, dass sie gerne mitmachen können, wenn ich im Frühjahr Kartoffeln setze, wenn wir Unkraut weghacken oder Kartoffelkäfer ablesen müssen oder wenn wir sie im Herbst ausmachen und einkellern.

Das Wissen, was man auf dem Acker oder im Garten alles selber anbauen und als Lebensmittel nutzen kann, geht auch in den Dörfern verloren. Wenn niemand mehr weiß wie man Kartoffeln setzt, dann werden auch keine mehr angebaut. Wenn wir die Kulturlandschaft im Mittelgebirge nicht mehr bearbeiten und pflegen, dann wird sie irgendwann zu einer verwilderten Steppe. Wildschweinen und Dornen wird dann der Acker gehören.

Wenn wir unsere Kinder lehren wie man Äcker und Wiesen ums Dorf herum bebauen und nutzen kann, geben wir damit auch ein Stück Geschichte weiter, früher hieß das einmal Heimatkunde. Deshalb haben wir in unserer Dorfschule einen Schulgarten eingerichtet, damit die Kinder sehen und lernen können, was hier wächst und wie das gedeiht. Und wir animieren sie auch zum selbständigen Tun. Bei manchen klappt es.

Ein Kind, das von unserem Berg Kartoffeln ein paar mitgenommen hat, meinte: „Heute Abend mache ich mir meine Pommes selbst.“ Eine schöne Entdeckung: Ich kann selber etwas anbauen, mich betätigen, aus den Früchten der Felder und Gärten selber etwas Geschmackvolles kochen. Das gilt nicht nur für die Kinder.

Ein paar alte Männer versuche ich zu animieren, dass sie wieder Hasen oder Hühner halten. Das könnten sie als Nachbarn gemeinsam tun. Einer hat gelacht: „Du willst ja nur, dass wir morgens aufstehen!“ Stimmt zwar auch. Das andere ist, dass sie sich bewegen, etwas tun, sich einbringen so gut sie es vermögen. Ich glaube, es macht glücklich, aktiv zu sein.

Jemand, der sich betätigt, fühlt sich nicht überflüssig. Er bewältigt die Angst, im Alter unnütz zu sein und anderen zur Last zu fallen. Man muss etwas tun, um glücklich zu sein.

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