Gott als Coach - Voice of Germany

Gott als Coach - Voice of Germany

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt

Normalerweise mag ich Casting Shows nicht. Zum Beispiel DSDS, Deutschland sucht den Superstar. Dieter Bohlen, der große Pop-Titan, räkelt sich oft hinter dem Tisch der Jury und guckt gelangweilt. Und er kann die Kandidaten ganz schön runter machen. Sie stehen oft zum ersten Mal vor der Kamera, sind aufgeregt, zeigen etwas, was ihnen sehr wichtig ist: ihre Stimme zum Beispiel oder ihr Aussehen. Mit einem einzigen Satz von Dieter Bohlen sind ihre Träume zerstört: "Man spürt, dass du die Musik liebst, aber diese Liebe ist einseitig." Oder: "Du singst leider, wie du aussiehst."

Ganz anders kommt die Show „The Voice of Germany” rüber, auf Deutsch: die Stimme Deutschlands. Zuerst müssen die Kandidaten vor Publikum vorsingen. Die Jurymitglieder können die Sängerin oder den Sänger am Anfang nur hören, aber nicht sehen. Sie sitzen in einem Drehstuhl mit dem Rücken zur Bühne. Sie sehen also nicht, wie der Kandidat angezogen ist, ob er dick ist, eine schreckliche Frisur hat oder sich komisch bewegt. Wenn ein Jury-Mitglied findet „Der oder die singt gut“, kann es auf einen Knopf drücken, dann dreht sich der Drehstuhl um.

Endlich kann das Jurymitglied der Sängerin oder dem Sänger in die Augen blicken. Der Kandidat kommt eine Runde weiter, wenn er mindestens eine der vier Jurystimmen erhält. Manchmal aber sind es auch zwei oder drei oder alle vier Jurymitglieder, die sich für den Kandidaten umgedreht haben. Dann – das finde ich besonders gut – darf der Sänger unter ihnen seinen Coach für die weiteren Runden auswählen. Plötzlich werben die Jurymitglieder um den Kandidaten, denn sie wollen alle am Ende das beste Team haben. Sängerin Nena sagt z.B.: „Komm doch zu mir ins Team, ich mach dich fit.“ Und Xavier Naidoo hält dagegen: „Bei mir kannst du doch viel mehr lernen, komm lieber zu mir.“

Der Star in der letzten Staffel war Andreas Kümmert. 27 Jahre alt, sieht aus wie 40 Jahre, breit gebaut, fast dick, schütteres rötliches Haar, ein merkwürdiger Spitzbart, wirklich keine Schönheit und schon gar nicht Allerweltsgeschmack. Und doch hat er mit seiner Stimme das Publikum verzaubert.

Verkehrte Welt also im Vergleich zu dem, wie es bei anderen Casting-Shows abläuft. Wenn ich mir Gott vorstelle, dann manchmal so wie einen Coach bei Voice of Germany. Gott sieht das Potential in mir und wirbt um mich. Er macht mich nicht fertig, egal wie sehr ich mich gerade blamiere. Gott sieht meine Fähigkeiten, auch wenn ich nicht Allerweltsgeschmack bin. Er möchte meinen Stil nicht glatt bügeln, sondern meine Stärken hervorheben. Und er will mich unbedingt in seinem Team haben und mich stark machen für die Zukunft. Genauso erfahre ich manchmal Gottes Nähe. Und auch, wenn es in der Show manchmal nicht perfekt gelingt: Da ist viel, was man sich abgucken kann. Denn so kann einiges auch zwischen Menschen besser gelingen.

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