Ihr Suchbegriff
Anstrengende Zeiten
Bildquelle Pixabay

Anstrengende Zeiten

Gudrun Olschewski
Ein Beitrag von Gudrun Olschewski, Evangelische Pfarrerin, Pfungstadt

Regelmäßig kommt die junge Mutter in die Kleiderkammer unserer Kirchengemeinde. Auch jetzt steht sie wieder da, sucht für ihre beiden Kinder etwas Passendes zum Anziehen. Auf vieles, was für andere selbstverständlich ist, muss die dreiköpfige Familie verzichten, erst recht in der Zeit vor Weihnachten. Sie erzählt mir: „Ich vermeide es, mit den Kindern über den Weihnachtsmarkt zu laufen. Überall lauern Verlockungen. Zuckerwatte, gebrannte Mandeln, Pommes oder eine heiße Milch mit Honig. Das ist nicht drin“.

Auch mit den Weihnachtsgeschenken anderer Eltern kann sie nicht mithalten. „Was die Kinder sich wünschen, kann ich nicht erfüllen,“ sagt sie mit leiser Stimme: „Aber sie kennen’s ja auch nicht anders.“ Während sie das sagt, wirkt sie selbst fast wie ein Kind. Sie ist unsicher und hofft doch, dass sich der sechsjährige Oskar auch dann noch über den Bagger freut, wenn seine Kumpels mit ganz anderen Dingen um die Ecke kommen. „Schon vom November-Geld habe ich die Weihnachtsgeschenke gekauft,“ sagt sie. „Und im Dezember noch ein paar Süßigkeiten, Geschenkpapier und eine dicke weiße Kerze“, ergänzt sie:

„Auch wenn das Geld bei uns noch so knapp ist, die gehört für mich einfach dazu. Den ganzen Advent über steht die Kerze dann auf unserem Esstisch. Angezündet werden darf sie aber nicht. Erst an Heilig Abend. Diesem Moment fiebern wir alle entgegen. Und dann ist es soweit“, sagt sie. Und dann noch das: „Dann leuchtet der Stern von Bethlehem in unserer Wohnung. Und ich vergesse für einen Augenblick all meine Sorgen“. Hinten im Regal entdeckt die Frau einen Anorak für ihre Tochter und eine passende Hose für ihren Sohn. Dann verabschiedet sie sich. Es wird Zeit. Oskar wartet im Kindergarten.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren