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Erzählen
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Erzählen

Ein Beitrag von Brigitte Babbe, evangelisch, Frankfurt am Main

Marcel Reich-Ranicki verdankte sein Leben vielen Zufällen, manchen glücklichen Umständen. Das hat er oft erzählt. Und genau das Erzählen hat ihn oft gerettet. Er konnte Gelesenes so anschaulich darstellen, dass er damit das ausglich, was ihm nicht gelang, nicht von der Hand ging. Erzählen als Lebensrettung.

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass früher mehr erzählt wurde. In jeder Familie gab es einen Mann, öfter eine Frau, die von damals erzählten. Und wenn es draußen kalt war, es keinen Spaß machte, im Matsch zu spielen, auch die Kinder die warme Stube vorzogen, dann hörten alle fasziniert zu. Die Alten erinnerten sich und für die Jungen  war es interessant zu erfahren, wie mühsam es war, den Weg bis zur größeren Stadt zu überwinden, der heute in 20 Minuten mit dem Auto erledigt ist.

Ich behaupte, dass die meisten der jungen Leute immer noch gerne zuhören – und auch gern erzählen. Aber – so heißt es dann - Radio und Fernsehen, Smartphone und Videospiele das alles ist doch viel interessanter. Das mag ja sein. Aber das, was Oma und Opa, Tante und Onkel, Vater und Mutter wirklich erlebt haben, das gibt es nicht in diesen Geräten.

Erzählen macht klug und hat eine unendlich lange Tradition. Aus Erzählungen ist einst die Bibel entstanden - das Erzählbuch schlechthin. Die Erzählungen haben die Lebenserfahrungen ungezählter Menschen lange vor unserer Zeit weitergetragen. Und im tiefsten Grunde sind die gar nicht so anders als unsere Erfahrungen heute: Liebe und Hass, Hoffnung und Enttäuschung, Leben und Tod. Das ist der Stoff, aus dem Klugheit entsteht und manchmal sogar Weisheit.

Wer sich aufs Erzählen einlässt, der schaut über den Tellerrand des eigenen Alltags hinaus. Keine schlechte Perspektive.

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