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Durchhalten
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Durchhalten

Rüdiger Kohl
Ein Beitrag von Rüdiger Kohl, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt-Bockenheim

Dona Luiza trägt einen schwarzen Ring am linken Ringfinger. Sie ist Mutter von acht Kindern, lebt im Norden Brasiliens und ernährt ihre Familie allein. Ihr Mann ist oft lange in anderen Teilen des Landes unterwegs, um Arbeit zu finden. Doch trotz aller Belastungen schaffte sie es, sich für die Verbesserung der Lebensqualität der Menschen in ihrem Viertel einzusetzen. Sie gab nicht auf, bis es eine Gesundheitsstation in ihrer Nachbarschaft gab, in der arme Menschen gegen geringes Entgelt behandelt werden.

Auch die Pfarrerin und Menschenrechtsaktivistin Rosa Marga Rothe trägt solch einen Ring. Sie baute über Jahre hinweg die Lutherische Gemeinde in der Stadt Belém auf. Dort sammelten sich aktive Christen, die eine fröhliche Spiritualität mit politischem, sozialem Engagement verbinden. Zuletzt war Rosa Marga Rothe Ombudsfrau in ihrem Bundesland und setzt sich für materiell arme Menschen ein, die von Polizeigewalt betroffen sind, die an Körper und Seele verletzt werden, und die sonst keinen Anwalt haben. Nicht nur einmal wurde sie mit dem Tode bedroht.

Auch ich trage einen schwarzen Ring. Seit ich vor rund fünfzehn Jahren ein Jahr in Brasilien verbracht habe, trage ich ihn am Ringfinger meiner linken Hand. Ich werde öfter gefragt, woraus denn dieser schwarze Ring gemacht wird und was er zu bedeuten habe. Ich antworte dann: Der Ring wird aus den Nüssen der Tucum-Palme hergestellt. Diese Palmenart ist vor allem im Amazonasgebiet zu Hause. Heute pflücken zumeist die Frauen die Nüsse und bearbeiten sie. Das ist harte Arbeit. Mit der Verarbeitung der harten Schale zu Ringen bessern sie ihren kargen Lebensunterhalt auf. Die Indianer dort beeindruckt die außerordentliche Überlebenskraft der Tucum-Palme. Im Nordosten gilt sie als Symbol des Durchhaltens während der Trockenzeiten.

Zuerst dachte ich ja, dieser Ring sei ein Ehering. So falsch lag ich mit meiner Vermutung gar nicht. In Brasilien wird dieser schwarze Ring auch „aliança“ genannt, d. h. „Bund“. Ähnlich wie in der Ehe geht es auch hier um einen Bund für das Leben. Und Durchhaltewillen braucht man auch. Das Geheimnis dieses Ringes verbindet mich mit vielen Menschen, weltweit. In dieser großen Gemeinschaft erinnern sie sich an die Solidarität Gottes mit unterdrückten Menschen.

Dona Luiza und Pfarrerin Rothe haben mich wie viele andere Menschen in Brasilien mit ihrer Kraft zum Durchhalten, gerade während der Dürrezeiten des Lebens, tief beeindruckt. Sie schöpfen aus ihrem Glauben an Gott Hoffnung und Stärke und nehmen die Ungerechtigkeiten des täglichen Lebens nicht einfach hin. Das ist wirklich eine Gotteskraft.

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