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Generation Zukunft
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Generation Zukunft

Helmut Wöllenstein
Ein Beitrag von Helmut Wöllenstein, Evangelischer Pfarrer, Marburg

Wenn du doch endlich mal lernen würdest, dein Zimmer aufzuräumen, sagt der Vater zur 16-jährigen Tochter. Wenn er doch endlich mal lernen würde, wie man eine SMS schreibt, denkt die Tochter. Etwas mitleidig sieht sie dabei zu, wie mein Daumen jeden Buchstaben einzeln über dem Handy ansteuert. Jung und Alt entfernen sich immer mehr voneinander, stellte neulich eine Umfrage fest. Erwachsene verstehen nicht, wenn Jugendliche sich in ihrer Sprache unterhalten und Worte gebrauchen wie chillen, spoilen oder wullfen. Mehr Respekt vor dem Alter, forderte neulich der 85- jährige Chef eines Familienbetriebs. Die Indianer hätten schließlich immer ihren Ältesten zum Häuptling gewählt, weil der über die meiste Erfahrung und das größte Wissen des Stammes verfügte.

Doch die Zeiten haben sich offenbar geändert. Wir Erwachsenen ärgern uns zwar, wenn Jugendliche zu lange in Facebook unterwegs sind. Doch ebenso profitieren wir von ihrem Wissen. 93 % der Eltern geben an, beim Umgang mit elektronischen Medien das Know-How ihrer Kinder zu nutzen. Und das ist nicht alles, was meine Generation von der jüngeren lernen kann. Da ist zum Beispiel ein immer besseres Bewusstsein für Ökologie. Seit sie 13 ist, verzichtet unsere Tochter bei den Mahlzeiten auf Fleisch und mit ihr eine ganze Clique. Nicht weil es ihnen nicht schmeckt, sondern weil sie die Bilanzen kennen. Ein Vielfaches an Weizen, Mais oder Soja werden für die Produktion von einem Kilo Fleisch gebraucht und ein Vielfaches an CO² wird freigesetzt. Nach und nach stellt sich unsere Familie um auf eine Ernährung mit weniger Fleisch. Und wir vermissen, ehrlich gesagt, nichts. Die beiden älteren Brüder studieren. Sie haben kein Auto, wie ich es in ihrem Alter hatte. Wenn sie nach Hause kommen, suchen sie eine Mitfahrgelegenheit. Warum sollten Autos nur mit einer Person besetzt sein, wenn man sich zusammen tun kann? Die Kosten werden geteilt, auch die ökologischen. Für 8 Euro fährt man am Wochenende mit der Bahn von Marburg nach Hamburg, auf einem Nahverkehrsticket zu fünft. Man muss halt nur schnell anrufen, simsen, sich finden und verabreden.

Die Erde gehört Gott, lese ich in der Bibel. Oder, wie es der legendäre Indianerhäuptling gesagt haben soll: Die Welt gehört nicht uns, wir haben sie von unsern Kindern geliehen. Leider geben wir das, was wir ausgeliehen haben, in einem erbärmlichen Zustand weiter: Ramponiert, unaufgeräumt – so, wie ich meinen Kindern niemals erlauben würde, etwas zurückzugeben. Ich freue mich und bin dankbar, dass ich viel lernen kann von jungen Leuten, von der Generation Zukunft.

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