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Wiedersehen
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Wiedersehen

Martin Vorländer
Ein Beitrag von Martin Vorländer, Evangelischer Pfarrer und Senderbeauftragter für den DLF, Frankfurt

Manchmal träume ich von Menschen, die mir lieb und nahe waren und schon gestorben sind. Sie erscheinen in meinen Träumen ganz unerwartet, ohne dass es dazu vorher einen Anlass gegeben hat.  Plötzlich sind sie da und im Traum so lebendig, so real, als wären sie nie tot gewesen.

Ich rede mit ihnen und spreche ganz selbstverständlich von meinem Alltag, von dem Leben, das ich lebe. Mitunter ertappe ich mich im Traum bei dem Gedanken: Mensch, das kann er ja gar nicht von mir wissen. Das hat sie doch gar nicht mehr miterlebt. So viele Jahre sind vergangen, in denen sich in meinem Leben so viel getan hat.

Ich bin in manchem ein ganz anderer geworden. Doch sie, meine Verstorbenen, sind in meiner Erinnerung stehen geblieben. Würden wir einander noch verstehen? Wäre er noch mein Freund, so wie damals zu Schulzeiten? Was würde sie, meine Großmutter, zu meinem Leben heute sagen? Obwohl sie mir im Traum so nahe erscheinen, bleibt die Begegnung doch schemenhaft. Wie wäre das Wiedersehen?

„Wiedersehen.“ So hat die evangelische Kirche in Hessen und Nassau ihre Initiative zu Karfreitag und Ostern überschrieben. Über das Wiedersehen war in einem Brief zu lesen, den alle Kirchenmitglieder vor Ostern bekommen haben. „Wiedersehen“ steht auf Bannern an Kirchtürmen und auf Plakaten an Litfaßsäulen. „Wiedersehen“ ist im Alltag schnell dahingesagt. Manchmal verabschiedet man sich so aus Gewohnheit von Menschen, bei denen gar nicht sicher ist, ob man sie wiedersieht.

Manchmal wird sehr bewusst gesagt: „Schade, dass wir jetzt auseinander gehen. Ich würde mich freuen, wenn wir uns bald wiedersehen.“ Gibt es das: ein Wiedersehen nach dem Tod? Oder ist das nur ein Traum, eine Wunschvorstellung? Beweisen kann ein Leben nach dem Tod niemand. Widerlegen auch nicht. Als Christ komme ich von Ostern her und glaube, dass es Auferstehung zum ewigen Leben gibt, ein Wiedersehen, das keine Trennung und keinen Abschied mehr kennt. Wie wird das sein, das Wiedersehen?

Die Bibel gibt Bilder von Auferstehung an die Hand. Im Grab finden die Jüngerinnen und Jünger Jesu nur noch die Leichentücher, in die der Gekreuzigte gewickelt wurde. Das Totenhemd, in das man auch unseren  Körper eines Tages einkleiden wird, ist abgestreift. Die Leinenbinden des Todes hat Christus, der Auferstandene abgelegt. Grund für die Hoffnung, dass unser letztes Hemd doch nicht das letzte sein wird.

Hoffnung auf ein Wiedersehen frei von den Verwicklungen und Zwängen, in die wir selbst uns pressen oder von anderen gepresst werden. Die Bibel erzählt vom Wiedersehen des auferstandenen Jesus mit seinen Jüngerinnen und Jüngern. Die Narben vom Tod am Kreuz sind an seinen Händen und Füßen und an seiner Körperseite noch zu sehen. Aber sie haben ihre tödliche Wirkung verloren. (Johannes 20, 24 ff)

Es ist nicht einfach weggewischt, was uns verletzt hat. Auf die eine oder andere Weise tragen wir Wunden und Narben an Körper und Seele davon. Das löst sich nicht auf in ein „Schwamm drüber und ab jetzt Eiapoppeia“. Aber ich stelle mir vor: Es hält uns nicht mehr davon ab zu leben, in himmlischer Freiheit zu leben und einander wiederzusehen – unsere Lieben und die anderen auch.

Wie gesagt: Beweisen kann ich es nicht. Widerlegen kann mir aber auch keiner – meinen lebendigen Glauben und meine feste Hoffnung. Wiedersehen!

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