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Dust in the wind
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Dust in the wind

Ksenija Auksutat
Ein Beitrag von Ksenija Auksutat, Evangelische Pfarrerin, Stockstadt

„Ich schließe meine Augen, nur für einen Moment, und der Moment ist vorbei.“ So beginnt der Klassiker „Dust in the Wind“ von der Rockband „Kansas“. Nichts ist von Dauer, das Leben fliegt dahin. Alles ist vergänglich. Das perfekte Lied für den Herbst da draußen. Die Felder sind schon kahl und von den Bäumen weht der kalte Herbstwind das Laub. Regen, Wind und die ersten Frostnächte sind angesagt. Der Verfall der Natur führt einem die Vergänglichkeit des Lebens vor Augen. Und das tut auch dieser Song: „All we are is dust in the wind“ - wir sind nur Staub im Wind.

Diese Worte stammen aus der Bibel: „Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst.“ So steht es im 1. Buch Mose. Der Mensch ist vergänglich, wird damit gesagt. So, wie im Herbst die Blätter fallen, wie das Gras, wenn es gemäht wird und die Blumen, wenn sie verwelken. So wie damals, sagen Kansas, ist es auch heute: „Same old song“: Das gleiche alte Lied.

Manche Menschen werden ja schwermütig, wenn sich der Sommer verabschiedet. Aber man muss kein Schwarzseher oder Griesgram sein, um zu erkennen, dass unser Leben nur von mehr oder weniger langer Dauer ist. Das ist schlichtweg realistisch. Die Zeit eilt vorüber, Tag um Tag vergeht. Zwischen Geburt und Tod liegt eine vergleichsweise kurze Spanne der Blüte und des inneren Hochgefühls, mitten im Leben zu stehen. Doch mit dem Älterwerden wachsen auch die Sorgen um die eigene Zukunft und die Gedanken ans Ende. Was gewesen ist, ist nicht mehr zurückzuholen. Manches bleibt einem in Erinnerung, aber vieles ist eben auch flüchtig.

Solche Gedanken passen zum Herbst. Wir Menschen nehmen teil am natürlichen Leben auf dieser Erde. Wir teilen die Bedingungen aller anderen Lebewesen. Warum sollte es uns anders ergehen als Tieren und Pflanzen? Wir leben und wir sterben. Die Autoren der Bibel sind da ganz realistisch. Sie beobachten die natürlichen Zerfallsprozesse und vergleichen sie mit dem Werden und Vergehen des Menschen. Vor allem in den Psalmen finden sich Bilder aus der Natur und ihrer Vergänglichkeit, die das menschliche Leben veranschaulichen:

Der Mensch ist wie Gras, heißt es an einer Stelle, das am Morgen blüht und sprosst und am Abend welk wird und verdorrt. Er ist wie eine Blume auf dem Feld, über die der Wind hinweggeht. Und am Ende, wenn er seinen Lebensatem aushaucht, zerfällt er wieder zu Staub, aus dem er gemacht ist. Der Song-Klassiker „Dust in the wind“ wirkt auf mich wie eine moderne Version dieser uralten Einsicht – ein moderner Psalm, der den Ton der Bibel aufnimmt.

Die Rock-Ballade sagt: „Klammere dich nicht an dieses flüchtige Leben. Nichts ist von ewiger Dauer, außer Himmel und Erde. Das Leben gleitet davon, und dein ganzes Geld wird dir nicht eine Lebensminute mehr einbringen.“ Eigentlich könnten einen diese Worte runterziehen. Alles ist egal, nichts bleibt, du kannst nichts festhalten und nichts mitnehmen. Aber die Musik vermittelt noch etwas anderes. Sie gibt Trost.

Der erste Teil des Lieds wird ausschließlich durch Gitarre begleitet. Die Grundtonart des Stücks ist a-Moll, durch sie entsteht eine gedämpfte Stimmung. Dazu kommt, dass sich eigentlich alles zu wiederholen scheint. Die Oberstimme wiederholt sich alle drei Takte, während das Akkordraster stets über vier Takte reicht. Und das charakteristische Intro mit dem einmaligen Picking kommt drei Mal, es wird im Instrumentalteil in der Mitte und am Ende des Stücks wiederholt. Aber in der Mitte des Stücks kommt etwas Neues dazu, eine charakteristische Geigenmelodie.

Die Geige ist unverwechselbar, sie beginnt ganz zart, steigt mit ihrem süßen Klang empor und schwingt sich am Ende in die Melodie ein. Die Geige macht das Leben in seiner Einmaligkeit hörbar. Sie spielt über der Grundmelodie des Stücks. So, wie jeder Mensch einmalig ist und seine Gaben entfaltet. Und zugleich Teil des großen Ganzen ist, des unaufhörlichen Stroms der Zeit.  Das hat etwas Tröstliches. Man ist ein kleiner Teil der Ewigkeit. Der Song gibt eine spirituelle Antwort, auch wenn das Wort Gott in diesem Song nicht erwähnt wird. Die Rockmusiker sollen sich von indianischen Weisheiten zu ihrer Ballade inspiriert haben lassen.

Ewigkeit meint auch im christlichen Glauben mehr als ein Leben im Jenseits. In der Bibel ist davon die Rede, dass Gott dem Menschen ein Leben geschenkt hat, das einmalig ist im Hier und Jetzt, begrenzt durch Geburt und Tod. Unauflöslich ist dieses Leben verbunden mit dem ewigen Gott und Schöpfer. Das Leben kommt aus Gottes Hand und kehrt dorthin zurück. Wer sich das bewusst machen kann, berührt sozusagen die Ewigkeit Gottes. Man selbst ist zwar endlich, wie Staub im Wind, aber eben doch ein einmaliges Geschöpf Gottes.

Diese Einsicht schenkt Gelassenheit. Sie bringt Ruhe. Warum sich aufregen über Dinge, die man nicht ändern kann? Sie schenkt Abstand zu den Stressfaktoren des Alltags. Wozu die immer größere Hetze und der Konkurrenzkampf? Die Einsicht, dass das Leben vergänglich ist, kann im Gegenteil die Schönheit des Augenblicks bewusst machen. Ich kann dankbar sein für die Tage, die mir geschenkt sind. Ich kann gelten lassen, dass ich etwas wert bin mit meinem flüchtigen Leben: verschwindend klein im Kosmos, aber geliebt von Gott.

Und so kann ich auch getrost Gott anheim stellen, was einmal mit meinem Leben sein wird, wenn es zu Ende geht. „Wenn ich meine Augen schließe, ist der Moment vorbei, alle meine Träume werden wie Staub im Wind.“ Meine Träume Staub – und doch bin ich Teil der Ewigkeit.

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