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Silbermond: Himmel auf
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Silbermond: Himmel auf

Thomas Zels
Ein Beitrag von Thomas Zels, Pastor, Freie evangelische Gemeinden Marburg

Aus Bautzen in Sachsen kommt nicht nur guter Senf, wie manche Feinschmecker wissen, sondern auch gute Musik. Die vierköpfige Deutsch-Rock-Band Silbermond hat´s mal wieder gezeigt. Nach einer erfolgreichen Zeit und einer kreativen Pause zog es die Band 2012 wieder zurück auf die Bühne. Sie tourten mit den Songs ihres vierten Studio-Albums \"Himmel auf\" durch die großen Arenen Deutschlands. Die Lieder handeln vom Sinn des Lebens und von der Suche danach. Sie fordern musikalisch heraus, lassen aber auch durch gesellschaftskritische und politische Töne hinhören. Die Bautzener Band hat sich weiter entwickelt, sich auf Neues eingelassen. Schon das Titelstück "Himmel auf" wurde aufwändig produziert, nimmt einen mit durch straffe Beats und überrascht mit einem hymnischen Chor am Schluss.

"Ist nicht irgendwo da draußen ein bisschen Glück für mich?", singt Stefanie Kloß im Titelsong. Wer jetzt aber eine schmachtende Liebes-Romanze erwartet, wird ernüchtert. Das Lied schildert zwei Schicksale, die weh tun, und ich frage mich:  Könnte sich bei solchen Menschen nicht wirklich mal der Himmel auftun?

Tausende Kreuze trägt er über den Tag
Dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr
die zwölf Stunden zeichnen sein Gesicht
es ist okay, aber schön ist es nicht

Wie jeden Morgen geht er durch diese Tür
und jeden Morgen bleibt die Frage wofür
und jeder Tag gleitet ihm aus der Hand
ungebremst, gegen die Wand

Ist nicht irgendwo da draußen bisschen Glück für mich
Irgendwo ein Tunnelende das Licht verspricht
Er will so viel – doch eigentlich nicht
nur ein kleines bisschen Glück

Wann reißt der Himmel auf?
Auch für mich, auch für mich?
Wann reißt der Himmel auf?
Auch für mich, auch für mich?


Soll das das Leben sein? Dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr sein Kreuz tragen? Da kämpft sich einer durch seinen zwölf-Stunden Tag, immer wieder, und kriegt doch das Gefühl, das bringt nichts. Warum das alles? Lohnt es sich? Ergibt das Ganze überhaupt noch einen Sinn? Wenn der Blick für den Sinn verloren geht, sinkt der Lebensmut und die Kraft verlässt einen. Das fühlt sich vielleicht wirklich so an, wie in dem Songtext, wie Zugfahren im Tunnel. Ich sehe nicht mehr, wo es hingeht, weiß aber auch nicht, wie ich aussteigen könnte. Gibt es ein Tunnelende? Wird es irgendwann wieder hell?

Wie viele werden von ihrer Arbeit aufgefressen. Oder im Familienstreit zerrieben. Eine Zeitlang lässt sich vieles aushalten. Aber nicht immer. Irgendwann bin ich körperlich und seelisch so erschöpft, dass auch ein Urlaub nichts mehr bringt. An die Wand gefahren. Könnte sich da nicht mal der Himmel für mich auftun?

Erschöpfung ist kein seltenes Problem. Zwischen 2004 und 2011 sind die Krankheitstage wegen Erschöpfung in Deutschland um das 18-Fache gestiegen. Die Seele macht einfach nicht mehr mit. Das ist inzwischen der zweitwichtigste Grund für Krankmeldungen und Frühverrentungen. Lange hat man gedacht, nur Perfektionisten seien für Erschöpfung anfällig, oder Kämpfernaturen. Das stimmt aber nicht. Auch die Menge der Arbeit trägt dazu bei, zumindest, wenn sie lange auf zu hohem Niveau bleibt.  Oder mangelnde Anerkennung und schlechte Zusammenarbeit im Team. Sowas kann einen fertig machen.

Ich hab auch schon erlebt, wie sich das anfühlt, am Ende zu sein. Ich konnte weder weitermachen, noch aussteigen. War handlungsunfähig wie eine Fliege im Spinnennetz. Ich schrie zu Gott um einen Lichtblick! Eine Seelsorge-Ausbildung fiel mir ins Auge. Da hatte ich sechs Wochen Zeit, auch für mich. Gute Gesprächspartner halfen mir zu erkennen, dass ich viel angestrengter lebte, als nötig. Die Ursache waren Ängste mit Wurzeln in meiner Kindheit. Auf einmal konnte ich mich besser verstehen, und anschließend auch meinen beruflichen Herausforderungen besser standhalten. Heute kann ich meine Hobbys auch dann noch genießen, wenn der Job mich doppelt fordert. Und ich nehme schöne Dinge auch dann noch wahr, wenn irgendjemand was gegen mich hat.

Wie viele Menschen hoffen auf einen Lichtblick, der ihnen weiterhilft. Silbermond gibt ihnen eine Stimme, auch einer Frau, die mit ihrer Sucht kämpft.

Es ist das Leben hier im Paradies
Wenn das süße Gift in ihre Venen schießt
vergisst sie alles was so gnadenlos schien
den kalten Himmel und das kalte Berlin

Sie ist nicht gerne gesehn in dieser Stadt
weil unser Netz sie nicht aufgefangen hat
und weil der Teufel seine Kreise um sie zog
noch nie fiel ihr was in den Schoß

Ist nicht irgendwo da draußen bisschen Glück für mich
Irgendwo ein Tunnelende das Licht verspricht
Sie will so viel – doch eigentlich nicht
nur ein kleines bisschen Glück


Sucht kommt ja von “siechen”, und meint das Leiden an einer Krankheit, oder Abhängigkeit. Abhängige sind krank. Und sie leiden, denn sie können von ihrer Droge oder einem bestimmten Verhalten nicht lassen, auch wenn sie wissen, dass es ihnen körperlich und seelisch schadet.

Wie es zu einer Abhängigkeit kommt, ist unterschiedlich. Und natürlich trägt jeder auch eigene Verantwortung dafür. Aber Abhängigkeiten verselbständigen sich. Ob es illegale Designer-Drogen sind, oder legale, wie Alkohol und Zigaretten. Ob es Ess-, oder Magersucht ist, Arbeits-, Kauf- oder Spielsucht, Medien- und Internetsucht, Pornografie- und Sexsucht. Irgendwann beherrschen diese Abhängigkeiten alles im Leben eines Menschen. Die ehemaligen Ziele, die Hoffnungen verkümmern. Übrig bleibt nur die Sehnsucht, dennoch ein kleines bisschen Glück zu erleben. Ginge doch einmal der Himmel auf!

Suchtkranke schaffen es in der Regel nicht selber, von ihrer Sucht loszukommen. Es kann ihnen auch niemand helfen, solange sie ihre Sucht vor anderen verstecken wollen. Oft bitten sie ja erst dann um Hilfe, wenn sie völlig am Boden sind und vieles kaputt gegangen ist.  Aber dann können auch sie Lichtblicke erleben! Denn es gibt Menschen und Einrichtungen, die helfen können.

Eine Frau hat mir etwas Berührendes erzählt. Sie wurde mitten in der Stadt von einem Wolkenbruch überrascht und flüchtete in eine offene Kirche, um den Schauer abzuwarten. Sie setzte sich nah am Eingang in eine Bank. Da saß sie nun und wartete, nach Hause gehen zu können. Aber auf einmal spürte sie, dass sie gar nicht nach Hause wollte. Sie war ja allein. Niemand erwartete sie. Das tat richtig weh. Draußen riss die Wolkendecke wieder auf. Und plötzlich fielen Sonnenstrahlen durch die Kirchenfenster. Einer davon genau auf ihren Platz. Sie fühlte die Wärme des Lichts auf ihrem Gesicht.

Später sagte sie, das sei ein Zeichen für sie gewesen, dass sie doch nicht alleine ist, doch nicht vergessen. Es war für sie, wie ein offener Himmel. Sie hat erlebt, was auch in der Bibel erzählt wird. Da klagt jemand: "Gott hat mich vergessen!" Doch Gott sagt: "Bringt eine Mutter es denn fertig, ihren Säugling zu vergessen? (...) Und selbst wenn sie es vergessen könnte - ich vergesse dich nicht!"

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